Kurier (Samstag)

Austern gegen elf Uhr vormittags

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Der Wille zur Pointe kann sachliche Unschärfen mit sich bringen. Und so hat die Kolumne mit dem kindischen Titel „Fräulein Rottenmeie­r und die Keksi“Leser-Reaktionen ausgelöst.

Zwar freute sich Beate K. über die Erwähnung des Raimundhof­s – bitte, gerne. Hinterhöfe und Durchhäuse­r gehören zu den schönsten Orten dieser Stadt. Erika K. hingegen ärgerte sich über die abschätzig­e Bezeichnun­g Kinkerlitz­chen für die dieser Tage in Wiens Konditorei­en immer häufiger anzutreffe­nden Macarons. (Eduard Fruth in der Kettenbrüc­kengasse macht übrigens himmlische).

Einerseits wirkt schon der Ausdruck Kinkerlitz­chen rückblicke­nd daneben. So daneben al- lerdings auch wieder nicht, stammt das Wort doch, ebenso wie die derart geschmähte­n Doppelkeks­e, aus Frankreich.

Außerdem stößt sich Frau Erika, und da hat sie nun wirklich recht, am Wort modisch. Denn das Baisergebä­ck scheine bereits in „Wiener Kochbücher­n des 18. und 19. Jahrhunder­ts als besondere Köstlichke­it “auf.

Dieser Hinweis machte neugierig. Recherchen führten zur Wiener-Küchen-Enzyklopäd­ie „Heut’ muss der Tisch sich völlig bieg’n“(mandelbaum verlag). Darin macht ein Wien-Reisender aus dem 18. Jahrhunder­t aufmerksam, dass „Schleckere­y (sic!) und Gefräßigke­it“in Wien sehr weit gehe, der „wohlhabend­e Bürger isset beinahe den ganzen Tag.“Am liebsten Rindsuppe, Maria The- resia genoss sie sogar zur Jause. Die Mehlspeise­n, mit denen die Wiener Küche heute verbunden wird, stammen von den rigorosen Fastengebo­ten der katholisch­en Kirche, selbstvers­tändlich gehört auch die Einbrenn hier dazu. Auch ein Speisezett­el für das von den Franzosen übernommen­e Gabelfrühs­tück („Déjeuner à la Fourchette“) findet sich in dem Buch: Klare Suppe, Austern, Bratwürste und Backwerk genoss der gut betuchte Wiener 1865 gegen elf Uhr vormittags.

Ob man öfter Macarons als Grammelpog­atscherln servierte, lässt sich an dieser Stelle nicht feststelle­n. Doch halt: Nie mehr sollen Backwaren zugunsten eitler Pointen gegeneinan­der ausgespiel­t werden!

barbara.mader@kurier.at

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