Süchtig nach dem Handy
„Vom Laster zur Sucht“ist Thema des Gesundheitstalks am 30. 1.
Es ist eine junge Sucht und sie betrifft oft junge Menschen: „Wir hatten erst vor Kurzem eine Frau bei uns, die über ihr Mobiltelefon süchtig nach sozialen Medien – Social Media – war“, erzählt der Psychiater Roland Mader vom Anton-ProkschInstitut (API) in Wien.
Eine durch moderne Smartphones ausgelöste „Handy-Sucht“sei eine neue Entwicklung, deren Häufigkeit zunehme: „Der Unterschied zur schon länger bestehenden Internet-Sucht ist der, dass ich das Suchtmittel immer bei mir habe“, sagt Mader. Genaue Zahlen gebe es noch nicht: „Insgesamt gehen wir davon aus, dass zwei Prozent der Gesamtbevölkerung und vier bis sechs Prozent der jungen Menschen von einer Online-Sucht betroffen sind.“Da sind auch „die jungen Burschen dabei, die zu Hause vor ihren Online-Spielen sitzen, Frauen, die sich in Chats verlieren und Sexsüchtige, die ihre Sexualität über das Internet ausleben“. Mader ist einer der Podiumsdiskutanten beim Gesundheitstalk „Sucht“von KURIER, MedUni Wien und Novartis kommenden Mittwoch in Wien (siehe re. unten).
Mittelpunkt des Lebens
In welche Richtung es gehen könnte, das zeige bereits Südkorea: „Dort haben 40 Prozent angstähnliche Symptome, wenn sie ihr Smartphone nicht bei sich haben.“
Das wichtigste Suchtkriterium sei, dass das Suchtmittel immer mehr in das Zentrum des Lebens rückt und alles andere zunehmend verdrängt wird. „Bei der Internet-Sucht ist es das Vernachlässigen von Sozialkontakten, von Freunden, von Pflichten, wie in die Schule oder in die Arbeit zu gehen. Trotz negativer Konsequenzen wird weitergemacht.“
In der Therapie gehe es darum, die Patienten an eine vorübergehende Abstinenz und einen kompetenten Handy-Gebrauch heranzuführen. „Und wir wollen ein freudvolles, selbstbestimmtes Leben fördern.“Eltern rät Mader, handyfreie Zonen (z. B. Esstisch) und Zeiten festzulegen: „Natürlich ist auch die Vorbildwirkung der Eltern sehr wichtig.“Ähnlich sieht es auch die Psychiaterin Gabriele Fischer von der MedUni Wien (AKH Wien), die ebenfalls beim Gesundheitstalk am Podium ist: „Es gibt positive und negative Aspekte der neuen Technologien. Aber Pausen vom Mobiltelefon sind ein wichtiger Aspekt.“
Süchtig nach Essen
Auch auf ein anderes Thema macht Gabriele Fischer imVorfeld des Gesundheitstalks aufmerksam: die Esssucht. „In unserem Lustzentrum im Gehirn spielen sich dieselben Prozesse ab, egal, ob Sie alkohol- und nikotinabhängig oder esssüchtig sind. WennSie sehr kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie eben Chips oder Schokolade essen, wird genauso der Belohnungsbotenstoff Dopamin ausgeschüttet, wie wenn Sie rauchen oder Alkohol trinken.“
Deshalb reiche es bei starkem Übergewicht auch nicht aus, Spezialisten für Stoffwechselstörungen damit zu befassen: „Übergewicht, Bluthochdruck oder hohe Bluttfette tun ja nicht weh – bis der Schlaganfall oder Infarkt da ist.“Aus diesem Grund sei es zu wenig, übergewichtigen Menschen nur zu sagen, dass ihre Blutwerte schlecht sind und sie weniger essen sollten. „Es geht um eine Verhaltensstörung – dieser muss mandurch eine Verhaltenstherapie und das Zusammenspiel vieler Berufsgruppen begegnen“, betont Fischer.
Zur Vorbeugung müsste bereits in den Schulen das Thema „Genuss“stärker angesprochen werden – von Pädagogen, Schulärzten, Schulpsychologen und Ernährungsspezialisten gemeinsam. „Junge Menschen müssen wissen, wie schmeckt ein Stück Schokolade, wie kann man das wirklich genießen: Es geht darum, bewusst unseren Stopp-Mechanismus im Gehirn zu steuern.“Lustvolles Verhalten mit einem aktiven Kontrollmechanismus müsse gefördert werden, damit klar ist: „Jetzt ist es genug, ich will genießen, aber nicht gedankenlos in mich hineinschaufeln.“