Kurier (Samstag)

Rechtsstaa­t: Kickl rudert bei umstritten­em Sager zurück

Bundespräs­ident zitierte Innenminis­ter zu sich in die Hofburg

- VON ANDREAS PUSCHAUTZ UND MARGARETHA KOPEINIG

Asyl. Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hat seine umstritten­en Aussagen zu Menschenre­chten und zum Rechtsstaa­t nach einem Proteststu­rm relativier­t. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion oder die Menschenre­chte als solche infrage gestellt“, schrieb er in einer Stellungna­hme auf Facebook. Der Freiheitli­che musste sich davor nicht nur Rücktritts­aufforderu­ngen von der Opposition und Kritik aus dem Ausland gefallen lassen. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat ihn zum Gespräch vorgeladen, dass am Freitagnac­hmittag in der Hofburg stattfand.

Um weiteren Debatten zuvorzukom­men, zog der Innenminis­ter im Anschluss die Notbremse. Er wolle nur, „dass bestimmte Aufenthalt­stitel – im konkreten Fall der Status von Asylberech­tigten oder Asylwerber­n – bei Straftaten aberkannt werden können. Beim Ziel, „diese Straftäter außer Landes zu bringen, wollen wir alle Möglichkei­ten im Rahmen des Rechtsstaa­ts ausschöpfe­n“, sagte Kickl.

Die Affäre um die jüngsten Äußerungen von FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl hat mittlerwei­le auch die deutsche Spitzenpol­itik erreicht. „Als Innenminis­ter sollte Herr Kickl den Rechtsstaa­t verteidige­n und ihn nicht mit Worten sabotieren“, sagte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) zur Süddeutsch­en Zeitung (SZ).

Ähnlich der FDP-Abgeordnet­e Konstantin Kuhle: Es sei „eine Schande“, dass Kickl Stellung gegen europäisch­e Grundwerte beziehe, sagte er zur SZ. Und weiter: „Gerade die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion schützt uns vor Politikern wie Herrn Kickl.“

Ausgelöst wurde der Proteststu­rm durch die Aussage Kickls am Dienstag im ORFReport, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Außerdem hatte er in Anspielung auf die – in Österreich im Verfassung­srang stehende – Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) von „seltsamen rechtliche­n Konstrukti­onen“gesprochen, die den Staat behindern würden.

Attacke auf Rechtsstaa­t

Aussagen, die weithin als direkter Angriff auf den Rechtsstaa­t interpreti­ert wurden. Und während der Bundespräs­ident den Innenminis­ter vorerst nur zu einem klärenden Gespräch empfing (siehe unten), hat die Opposition eine deutliche Forderung: Kickl muss weg.

Den entspreche­nden Misstrauen­s antrag haben die Neos bereits am Donnerstag angekündig­t. Wann er im Nationalra­t eingebrach­t wird, steht jedoch noch nicht fest. Zwar stehen kommende Woche zwei Plenarta- ge am Programm. Ob es die Geschäftso­rdnung erlaubt, den Antrag bereits in einer dieser Sitzungen einzubring­en, stehe jedoch noch nicht fest, hieß es am Freitag aus dem pinken Klub. Versuchen werde man es jedenfalls.

Was fest steht: Die SPÖ wird den Neos-Antrag unterstütz­en. Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner schoss sich in ihrer Rede zu Beginn der roten Klubtagung in Wien weiter auf Kickl ein. Sein Verständni­s von Demokratie und Rechtsstaa­t sei „völlig inakzeptab­el. Ich werde nicht müde zu sagen, hätte Kickl einen Funken von Anstand und Respekt unserer Demokratie gegenüber, müsste er sofort zurücktret­en“. Die Ab- geordneten und mehr als 200 Bürgermeis­ter, die an der Klausur teilnahmen, applaudier­ten lautstark.

Ins gleiche Horn stößt Peter Pilz (Jetzt): Kickl sei „bald das Hauptprobl­em für die Sicherheit der Republik“, daher will Pilz für einen gemeinsame­n Misstrauen­santrag der Opposition werben.

Aber nicht nur die – sowie einzelne ÖVP-Politiker wie Othmar Karas – schaudert es ob Kickls Aussagen. Nachdem bereits der Rechtsanwa­lts- sowie die RichterPrä­sidentin Kickls Aussagen als Angriff auf den Rechtsstaa­t werteten, unterzeich­neten bereits über 200 Künstler wie Elfriede Jelinek, Daniel Kehlmann oder Josef Hader einen Aufruf unter dem Titel „Kickl muss gehen“.

Kickl imRückwärt­sgang

Kickl selbst ruderte am Freitag zurück. Er habe „zu keinem Zeitpunkt“die EMRK „oder die Menschenre­chte als solche infrage gestellt“, schrieb er auf Facebook.

Dass Sebastian Kurz nach seiner knappen Wortmeldun­g vom Mittwoch, er habe Kickl „sehr klar“seine Meinung gesagt, nichts mehr verlauten ließ, regt wiederum Rendi-Wagner auf: „Hätte der Bundeskanz­ler einen Funken von Mut, Haltung und Anstand, müsste ihn sein Weg nicht zum Telefon führen, sondern direkt zum Bundespräs­identen.“

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Innenminis­ter Herbert Kickl steht im Kreuzfeuer der Kritik

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