Frühstart für Wien-Wahlkampf
ÖVP und FPÖ nehmen Michael Ludwig in die Zange. Trotzdem hat er keine schlechten Karten
Politik. Mehr als ein Jahr vor der Wahl beziehen die Parteien Position. Das Match lautet vorerst SPÖ gegen Türkis-Blau.
Bund wiederholte, konnte er über eines nicht hinwegtäuschen: Wien ist im Wahlkampf angekommen. Überraschend früh, wenn man Beteuerungen glauben schenkt, dass erst 2020 gewählt wird.
Die Wahlkampftöne mögen der anstehenden EU-Wahl geschuldet sein – aber eben nicht nur. Die Wiener Parteien wollen sich rechtzeitig positionieren. Da es auf absehbare Zeit nur ein beherrschendes Thema – die öffentliche Sicherheit – geben dürfte, muss man pointiert auftreten.
Kampf im Gemeindebau
Die bewährte Strategie seines Vorgängers Michael Häupl, der gerne den Kampf um die Stadt zwischen SPÖ und FPÖ inszenierte, hat Ludwig nur geringfügig adaptiert: Es geht nicht mehr nur gegen Blau. Sondern gegen Türkis-Blau.
Tatsächlich dürfte Ludwig nicht ganz falsch liegen. Türkis und Blau nehmen ihn derzeit in Wien in die Zange. Aktuellstes Beispiel: Die ÖVP startete ihre „GemeindebauKampagne“und fischt damit wie die FPÖ in roten Gewässern. (Quasi im Vorbeigehen verunglimpfte sie die SPÖ dabei als „Arbeitslosenpartei“.)
Der SPÖ schadet das nicht: Nach einem Tief im Vorjahr liegt sie in Umfragen bei 37 bis 39 Prozent. Das ist fast so viel wie bei der Wahl 2015. Mit Rückenwind aus dem Bund segelt die ÖVP derzeit auf 14 bis 17 Prozent (2015: 9,2 Prozent). Das geht zulasten des Juniorpartners im Bund: Die FPÖ stürzt in Umfragen (von knapp 31 Prozent) auf 24 bis 25 Prozent ab. Wohl mit ein Grund, warum sich blaue Funktionäre dieser Tage in der Aggressivität ihrer Wortmeldungen zu übertrumpfen versuchen.
Risiko für Türkis-Blau
Da wird SP-Stadtrat Peter Hacker von einem FP-Gemeinderat als „Rotzlöffel“bezeichnet, während Dominik Nepp, immerhin Vizebürgermeister, Blut an den Händen der „willkommensklatschenden rotgrünen Politiker“kleben sieht.
Ob es für Türkis und Blau reicht, sich in Wien nur gegen die SPÖ zu richten, wird sich zeigen. Für die Koalition auf Bundesebene birgt der WienWahlkampfauch(kleine) Risi- ken. ÖVP-Minister Gernot Blümel hat sich bereits als Wiener Spitzenkandidat deklariert. Die FPÖ zögert. Ein starkes Zugpferd – wie Parteichef Heinz-Christian Strache – ist nötig. Jedoch: Treten in Wien zwei Mitglieder der Bundesregierung an, könnte das die Harmonie im Bund stören.
Die ÖVPdarf den internen Konflikt zwischen Türkisen und Schwarzen nicht unterschätzen. Die wirtschaftsnahen Funktionäre sehen sich der SPÖ deutlich näher als der FPÖ.
Erst beim Koalitionspoker nach der Wahl (siehe unten) wird sich zeigen, welchen Einfluss sie haben. Die SPÖ liebäugelt mit einem schwarzen (nicht türkisen) Juniorpartner. Gibt es keine Mehr- heit für Türkis-Blau, aber eine für Rot-Grün, hat Ludwig ein Druckmittel.
Die Grünen um Birgit Hebein könnten im Ringen der Großen aufgerieben werden. Um viel geht es auch für die Neos. Spitzenkandidat dürfte der (unbekannte) Christoph Wiederkehr werden, hinter den Kulissen wird BundesChefin Beate Meinl-Reisinger die Fäden ziehen. Gibt es keine klaren Mehrheiten, könnte die Stunde der Neos geschlagen haben. Sie sind Ansprechpartner für linke und rechte Dreier-Koalitionen.
Für Ludwig ist jedenfalls eine türkis-blaue Mehrheit die größte Gefahr. Dann könnte es für Wien einen „Neustart“geben, der nicht nach seinem Geschmack ist.