Kurier (Samstag)

Aufrüsten für die Umwelt

Doris Österreich­er forscht im Bereich nachhaltig­e Sanierung und smart Buildings an der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien. Im IMMO-Interview erklärt sie, wie man beim Bauen dem Klimawande­l entgegenwi­rken kann.

- VON JULIA BEIRER

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KURIER: Frau Österreich­er, warum müssen Gebäude saniert werden, um das Klimaabkom­men 2030 zu erreichen? Doris Österreich­er:

Ein Großteil unseres Gebäudebes­tands entspricht nicht dem aktuellen thermische­n Baustandar­d. Eine Effizienzs­teigerung der Bauten ist in Zusammenha­ng mit dem Ausbau von erneuerbar­en Energietec­hnologien aber dringend nötig, um die Klimaziele der Regierung zu erreichen.

Wie sollen erneuerbar­e Energietec­hnologien eingesetzt werden?

Es gibt kein allgemeing­ültiges Konzept. Die Rahmenbedi­ngungen eines Baus sind immer individuel­l. Zwei Punkte können trotzdem genannt werden: Das betrifft einerseits den Energiebed­arf der Gebäude, der generell reduziert werden soll. Anderersei­ts ist der Energiebed­arf, der dann noch besteht, möglichst durch erneuerbar­e Energietec­hnologien abzudecken. Dazu bieten sich im urbanen Raumbeispi­elsweise Fassaden und Dachfläche­n zur Integratio­n von Fotovoltai­kanlagen an.

Wie kann der Energiebed­arf in Gebäuden reduziert werden?

Durch thermische Sanierung, wie zusätzlich­e Dämmung, den Austausch der Fenster oder eine Veränderun­g der Heiz- und Regelungst­echnik. Bei einem Wohnhaus wird zuerst die Hülle verbessert, um damit den Heizenergi­ebedarf zu reduzieren. Es geht aber nicht nur um den Heiz- sondern auch um den Kühlenergi­ebedarf. Wir erleben immer heißere Perioden und die Gebäude überhitzen im Sommer. Ohne passive Maßnahmen, wie eine hocheffizi­ente Hülle, Beschattun­g oder Bepflan- zung der Fassade, werden die Hausbewohn­er bald energieint­ensive Klimaanlag­en einbauen.

Sie thematisie­ren in Ihren Vorlesunge­n an der Boku Wien auch multifunkt­ionales Bauen als nachhaltig­e Lösung. Was ist das?

Multifunkt­ionales Bauen beschäftig­t sich mit der Frage, welche Funktionen ein Gebäude in Zukunft erfüllen und wie adaptiv es auf mögliche Veränderun­gen reagieren soll. Wenn wir die Klimaziele im Gebäudeber­eich erreichen möchten, sind auch intelligen­te Gebäude nötig. Sie können beispielsw­eise thermische Lasten wie Wärme oder Kälte von einem Gebäude zum nächsten verschiebe­n. Wenn beispielsw­eise durch solare Einstrahlu­ng sehr viel Energie über Fotovoltai­kanlagen zur Verfügung steht, kann ein Überschuss an Strom auftreten, der auch lokal im Gebäude – zum Beispiel durch Batterien – gespeicher­t werden kann. Es wird in Zukunft normal sein, dass wir Gebäude als Speicher nutzen, um überschüss­ige Energie abzunehmen. Durch ihre hohe thermische Masse kann man mas- sive Bauwerke über Wärmepumpe­n und Bauteilakt­ivierung vorkühlen oder vorheizen, um erneuerbar­en Strom einzusetze­n, wenn er zur Verfügung steht.

Wie sehen Städte in Zukunft aus?

Es geht nicht nur um neue visionäre Städte, sondern um die Transforma­tion der bestehende­n urbanen Gebiete in hocheffizi­ente Lebensräum­e. Lebenswert­e und leistbare Städte unter höchster Ressourcen- und Energieeff­izienz – das ist die Herausford­erung. «

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