Nach Bluttat im Sozialamt: Politik will Lücken im Fremdenrecht schließen
Noch ist unklar, wie ein zweiter Fall Soner Ö. verhindert werden kann
Rechtsfragen. Der Mord am Leiter der Sozialabteilung der BH Dornbirn sorgt für Entsetzen, aber auch für eine gewisse Ratlosigkeit in der Politik. Eine „Lücke im Recht“hat es Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner genannt, die den Täter auf freiem Fuß in seine alte Heimat reisen ließ. „Die Frage, wie ein rechtmäßig außer Landes geschaffter Straftäter wieder einreisen und einen Asylantrag stellen kann, wird zu klären sein. Aus unserer Sicht kann und darf das nicht sein“, sagen auch Vorarlbergs Grüne.
Im Verfassungsbogen
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat bereits anklingen lassen, die Causa im EUWahlkampf zu thematisieren. Ebenfalls „Handlungs- bedarf“ortete VP-Innenstaatssekretärin Karoline Edtstadler nach einem Gespräch mit Wallner. Um künftig derartige Fälle zu verhindern, müssten alle Möglichkeiten im Rahmen des Verfassungsbogens ausgeschöpft werden, sagte sie: „Es muss möglich sein, den Schutz abzuerkennen und solche Menschen rasch abzuschieben.“
Vor der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn steht am Freitagvormittag Wachpersonal. Es ist eine Sicherheitsmaßnahme, die nach der Bluttat am Mittwoch für das Amtsgebäude, aber auch das Vorarlberger Landhaus und die weiteren drei Bezirkshauptmannschaften angeordnet wurde. Um 10.15 Uhr passiert ein Mann die Waffenkontrolle.
Kurz darauf herrscht Aufregung in der BH. Mitarbeiter erkennen den 33-Jährigen. Es handelt sich um den Bruder von Soner Ö., der am Mittwoch den Leiter des Sozialamts in dessen Büro mit einem Messer getötet hat. Die Polizei wird alarmiert. Es folgt ein Großeinsatz und wenig später die Entwarnung.
Wie die Polizei mitteilt, hatte der Mann einen Termin und wollte ein Schriftstück abholen. Für die ohnehin durch den Mord an ihrem Kollegen schwer geschockten Beamten war der Vorfall verstörend.
„Handlungsbedarf“
Während in Dornbirn der Großeinsatz lief, traten in Bregenz Landeshauptmann Markus Wallner und InnenStaatssekretärin Karoline Edtstadler vor die Presse. Die beiden ÖVP-Politiker hatten sich zu einem Gespräch über die möglichen rechtlichen Konsequenzen des tragischen Mordfalls getroffen.
Wallner hatte im KURIERGespräch, wie berichtet, eine „Lücke im Recht“geortet. „Handlungsbedarf“ortet auch Edtstadler. Man müsse bei Straftätern dafür sorgen, dass der Schutzstatus wegfalle und dann rasch eine Abschiebung erfolge.
Es ist die Tatsache, dass Soner Ö. trotz eines – wegen seiner Vielzahl von Straftaten – 2009 verhängten Aufenthaltsverbots in Österreich Asylantrag stellen und während des Verfahrens auf freiem Fuß bleiben konnte, die für Debatten sorgt. Das Unverständnis darüber geht über Parteigrenzen hinweg.
„Die Frage, wie ein rechtmäßig und zu Recht außer Landes geschaffter Straftäter wieder einreisen und einen Asylantrag stellen kann, wird zu klären sein. Aus unserer Sicht kann und darf das nicht sein“, hatten die Vorarlberger Grünen bereits am Donnerstag verlautbart.
FPÖ-Innenminister Herbert Kickl lässt bereits anklingen, dass er im EU-Wahlkampf auf dieses Thema setzen möchte. Bei der EU-Kommission blitzte er zuletzt mit seinem Ansinnen ab, Flüchtlinge auch nach leichteren Vergehen abschieben zu können.
Im aktuellen Fall geht es hingegen umdie Frage, ob ein abgeschobener Straftäter wieder ins Land zurückkehren und dort einen Asylantrag stellen kann. Für Kickl ist das ein „Unding“, wie er sagt. „Das ist – glaube ich – etwas, was kein Mensch versteht und ich auch nicht.“
Rechtsstaatlichkeit
Wie Edtstadler betont, sei die Lösung der Frage aber keine leichte, wenn Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gewahrt bleiben müssten, „aber wir können uns damit nicht abfinden“. Auch sie ist bereits im EU-Wahlkampf.