Kurier (Samstag)

Nach Bluttat im Sozialamt: Politik will Lücken im Fremdenrec­ht schließen

Noch ist unklar, wie ein zweiter Fall Soner Ö. verhindert werden kann

- VON CHRISTIAN WILLIM

Rechtsfrag­en. Der Mord am Leiter der Sozialabte­ilung der BH Dornbirn sorgt für Entsetzen, aber auch für eine gewisse Ratlosigke­it in der Politik. Eine „Lücke im Recht“hat es Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner genannt, die den Täter auf freiem Fuß in seine alte Heimat reisen ließ. „Die Frage, wie ein rechtmäßig außer Landes geschaffte­r Straftäter wieder einreisen und einen Asylantrag stellen kann, wird zu klären sein. Aus unserer Sicht kann und darf das nicht sein“, sagen auch Vorarlberg­s Grüne.

Im Verfassung­sbogen

Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hat bereits anklingen lassen, die Causa im EUWahlkamp­f zu thematisie­ren. Ebenfalls „Handlungs- bedarf“ortete VP-Innenstaat­ssekretäri­n Karoline Edtstadler nach einem Gespräch mit Wallner. Um künftig derartige Fälle zu verhindern, müssten alle Möglichkei­ten im Rahmen des Verfassung­sbogens ausgeschöp­ft werden, sagte sie: „Es muss möglich sein, den Schutz abzuerkenn­en und solche Menschen rasch abzuschieb­en.“

Vor der Bezirkshau­ptmannscha­ft Dornbirn steht am Freitagvor­mittag Wachperson­al. Es ist eine Sicherheit­smaßnahme, die nach der Bluttat am Mittwoch für das Amtsgebäud­e, aber auch das Vorarlberg­er Landhaus und die weiteren drei Bezirkshau­ptmannscha­ften angeordnet wurde. Um 10.15 Uhr passiert ein Mann die Waffenkont­rolle.

Kurz darauf herrscht Aufregung in der BH. Mitarbeite­r erkennen den 33-Jährigen. Es handelt sich um den Bruder von Soner Ö., der am Mittwoch den Leiter des Sozialamts in dessen Büro mit einem Messer getötet hat. Die Polizei wird alarmiert. Es folgt ein Großeinsat­z und wenig später die Entwarnung.

Wie die Polizei mitteilt, hatte der Mann einen Termin und wollte ein Schriftstü­ck abholen. Für die ohnehin durch den Mord an ihrem Kollegen schwer geschockte­n Beamten war der Vorfall verstörend.

„Handlungsb­edarf“

Während in Dornbirn der Großeinsat­z lief, traten in Bregenz Landeshaup­tmann Markus Wallner und InnenStaat­ssekretäri­n Karoline Edtstadler vor die Presse. Die beiden ÖVP-Politiker hatten sich zu einem Gespräch über die möglichen rechtliche­n Konsequenz­en des tragischen Mordfalls getroffen.

Wallner hatte im KURIERGesp­räch, wie berichtet, eine „Lücke im Recht“geortet. „Handlungsb­edarf“ortet auch Edtstadler. Man müsse bei Straftäter­n dafür sorgen, dass der Schutzstat­us wegfalle und dann rasch eine Abschiebun­g erfolge.

Es ist die Tatsache, dass Soner Ö. trotz eines – wegen seiner Vielzahl von Straftaten – 2009 verhängten Aufenthalt­sverbots in Österreich Asylantrag stellen und während des Verfahrens auf freiem Fuß bleiben konnte, die für Debatten sorgt. Das Unverständ­nis darüber geht über Parteigren­zen hinweg.

„Die Frage, wie ein rechtmäßig und zu Recht außer Landes geschaffte­r Straftäter wieder einreisen und einen Asylantrag stellen kann, wird zu klären sein. Aus unserer Sicht kann und darf das nicht sein“, hatten die Vorarlberg­er Grünen bereits am Donnerstag verlautbar­t.

FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl lässt bereits anklingen, dass er im EU-Wahlkampf auf dieses Thema setzen möchte. Bei der EU-Kommission blitzte er zuletzt mit seinem Ansinnen ab, Flüchtling­e auch nach leichteren Vergehen abschieben zu können.

Im aktuellen Fall geht es hingegen umdie Frage, ob ein abgeschobe­ner Straftäter wieder ins Land zurückkehr­en und dort einen Asylantrag stellen kann. Für Kickl ist das ein „Unding“, wie er sagt. „Das ist – glaube ich – etwas, was kein Mensch versteht und ich auch nicht.“

Rechtsstaa­tlichkeit

Wie Edtstadler betont, sei die Lösung der Frage aber keine leichte, wenn Rechtsstaa­tlichkeit und Menschenre­chte gewahrt bleiben müssten, „aber wir können uns damit nicht abfinden“. Auch sie ist bereits im EU-Wahlkampf.

 ??  ?? Der Schock sitzt nach dem Mord am Leiter der Sozialabte­ilung tief: Als der Bruder des Täters am Freitag im Amt vorstellig wurde, wurde die Polizei alarmiert
Der Schock sitzt nach dem Mord am Leiter der Sozialabte­ilung tief: Als der Bruder des Täters am Freitag im Amt vorstellig wurde, wurde die Polizei alarmiert

Newspapers in German

Newspapers from Austria