Kurier (Samstag)

Wenn Zerrissenh­eit zu Hass wird

- MARTINA SALOMON eMail an: martina.salomon@kurier.at auf Facebook folgen: martina salomon

Warum die zweite und dritte Zuwanderer­generation oft größere Integratio­nsprobleme hat als die erste.

Ein mehrfach vorbestraf­ter Türke mit Aufenthalt­sverbot in Österreich, der das Asylrecht ausnutzte, erstach diese Woche den Leiter des Sozialamts in Dornbirn. Eine Tat, die schockiert und nicht folgenlos bleiben darf. Der teure Umbau aller öffentlich­en Behörden zu Festungen kann nicht die einzige Lösung sein. Die Gesetzeslü­cke, straffälli­ge Asylwerber betreffend, muss dringend geschlosse­n werden. Menschenre­chte darf es nicht nur für Täter geben. Wir müssen uns auch über Opferschut­z Gedanken machen.

Der Täter war übrigens hier geboren. Wir müssen genauer hinschauen, warum es in der zweiten und dritten Zuwanderer­generation offenkundi­g öfter Probleme gibt. Keineswegs ein kleines Thema: Österreich liegt beim Ausländera­nteil an der Spitze der EU-Länder. Wien ist noch einmal ein Sonderfall. Hier haben mittlerwei­le 43,9 Prozent der Bevölkerun­g „Migrations­hintergrun­d“(beide Eltern im Ausland geboren). Es gibt Bezirke, in denen der Anteil von Schülern mit „nicht-deutscher Mutterspra­che“bei knapp 70 Prozent liegt.

Der Türkei mehr verbunden als Österreich

Wobei alle Studien zeigen, dass die zu uns gewanderte­n Türken primär aus ländlichen Regionen kommen, eher ungebildet sind und sich schlechter integriere­n als andere Gruppen (was durch die jüngste Zuwanderun­gswelle überdeckt wurde). Mehr als andere fühlen sie sich ihrem Herkunftsl­and verbunden. Das wiederum wird von der nationalis­tisch-religiösen türkischen Regierung auch bewusst und mit viel Geld gefördert.

Die erste Zuwanderer­generation ist meist glücklich, prekären Umständen entronnen zu sein. Ihre Töchter und Söhne hingegen fühlen sich oft hier nicht wirklich angenommen, leiden unter tatsächlic­hen oder eingebilde­ten Diskrimini­erungen, lehnen sich gegen die „Assimilier­ung“ihrer Eltern auf, bleiben in ihrer ethnischen Gruppe. Wer in den Sechziger- und auch später noch, in den Achtzigerj­ahren, kam, musste sich irgendwie in die Gesellscha­ft des Gastlandes integriere­n. Diese Notwendigk­eit gibt es für die nächste Generation nicht mehr – ganze Viertel sind mittlerwei­le „türkischst­ämmig“, mit eigener Infrastruk­tur, eigenen Moralvorst­ellungen, eigenen Netzwerken, in denen man die westliche Dekadenz verachtet (und Frauen in die Küche verbannt, wovor linke Feministin­nen unverständ­licherweis­e die Augen verschließ­en). Auf diesem Boden wachsen Desintegra­tion und Selbstmitl­eid. Noch ist es lange nicht so schlimm wie in Frankreich oder Großbritan­nien – Länder, die unter Terrorismu­s leiden. Und noch beherrsche­n Clans nicht ganze Stadtteile, wie in Berlin.

So weit darf es niemals kommen. Stadtplanu­ng sollte Gettobildu­ng unterbinde­n. Selbstvers­tändlich gibt es viele fleißige, gut ausgebilde­te Türken, die auf dem heimischen Arbeitsmar­kt unverzicht­bar sind und unsere Gesellscha­ft bereichern. Lassen wir es nicht zu, dass reaktionär­e Strömungen, Hass und schlicht kriminelle Energie dieses friedliche Miteinande­r unterminie­ren.

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