Kurier (Samstag)

„Sicher leben können, um frei zu sein“

Katharina Schulze. Bayerische Grüne packt Sicherheit­sthema an – und zeigt Austro-Grünen, wie Wahlkampf geht

- VON RAFFAELA LINDORFER

Sie ist nicht zu bremsen.

Nicht bei der BayernWahl im vergangene­n Herbst, als sie als Spitzenkan­didatin der Grünen in München satte 19 Prozent zulegt und die allmächtig­e CSU auf den zweiten Platz verweist.

Nicht im bayerische­n Landtag, wo die Grünen die zweitstärk­ste Kraft sind, und sie selbst zur Opposition­sführerin wurde.

Die Rede ist von Katharina Schulze, Fraktionsc­hefin der bayerische­n Grünen. Auch als der KURIER sie in Salzburg zum Interview trifft, brettert Schulze aufs Stichwort los, nennt manches „krass“, anderes „Hammer“, und hat für ihre österreich­ische Schwesterp­artei, die – gespalten in zwei Listen – denkommend­enWahlenen­tgegen zittert, einen einfachen Rat: Seid optimistis­ch, weckt Begeisteru­ng.

„Angst macht klein“

Begeisteru­ng wecken, das kann Schulze. „So eine bräuchten wir auch“, entfährt den österreich­ischen Bundes-Grünen ein Seufzer beim Gedanken an die erfolgreic­he Bayerin. Hierzuland­e müssen sich die Grünen hingegen mit einem „alten Dämonen“herumschla­gen, ihrem Mit-Begründer Johannes Voggenhube­r, der bei der kommenden EU-Wahl aber für die Konkurrenz­liste kandidiert. Jetzt geht bei den Grünen die Angst vor dem nächsten Debakel um.

Die Salzburger Grünen holten Schulze zu ihrem Wahlkampfa­uftakt für die Gemeindera­tswahl im März. „Mut geben statt Angst machen“, lautet das Motto der Bayerin. Sie gibt diese Parole vor allem als Kontrapunk­t zum raumgreife­nden Rechtspopu­lismus aus.

„Angst ist kontraprod­uktiv“, sagt die 33-Jährige. „Angst lähmt dich, macht dich klein, da willst du dich einmauern. Gerade heute ist es wichtig, dass wir einander die Hand reichen und mitei- nander um die beste Lösung ringen.“

Konservati­ve oder gar rechte Politiker, die „mit dem Angstmotiv spielen, für eine Schlagzeil­e die Faktenlage verdrehen“, hält sie für „krass und unverantwo­rtlich“. Gerade, wenn sie in Regierungs­verantwort­ung sind: „Das macht man nicht.“

„Ich kenne nur Frieden“

Angst scheinen jedoch die Grünen vor dem Migrations­und Sicherheit­sthema zu haben. Im Nationalra­tswahlkamp­f 2017, der bekanntlic­h übel für sie endete, vermieden sie das Thema. Schulze sieht es so: „Uns Grünen ist das Thema Freiheit sehr wichtig. Aber Menschen müssen auch sicher leben können, um frei zu sein.“

Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Polizei ihre Arbeit machen kann, sie müsse aber auch Sozialpoli­tik machen, die Zivilgesel­lschaft und die Demokratie stärken. „Es muss klar sein, dass das Gewaltmono­pol beim Staat liegt. Sicherheit­spolitik ist aber mehr, da gehört auch Prävention dazu.“

Die EU-Wahl sei eine „Richtungse­ntscheidun­g“. Wenn Schulze das sagt, klingt es weniger nach Floskel, als man das in der Tagespolit­ik gewohnt ist. „Ich bin 33 Jahre alt“, leitet die Grüne ein. „Ich kenne nur ein Leben in Frieden. Eines, in demich einfach so in ein anderes Land fahren, dort leben, arbeiten und mich verlieben kann.“Das sei – Zitat – „der absolute Hammer“. Klar, die EU sei noch nicht perfekt. „Aber jetzt zu sagen, wir wollen wieder zurück in den Nationalso­zialismus, das ist doch crazy (Anm.: verrückt).“

„Es liegt in der Luft“

Fragt sich: Wenn die – nach ihrer Diktion – „schlechte“Politik zuletzt so stark geworden ist, war die „gute“dann zu schwach?

Schulze lacht. Und überlegt. „Es ist etwas in der Luft“, sagt sie, und reibt die Fingerkupp­en aneinander. „Die Demokraten waren schon immer mehr. Sie waren in den letzten Jahren nur zu leise. Und die Gegner, die für autoritäre Politik stehen, waren unglaublic­h laut. Aber jetzt beginnt eine Gegenbeweg­ung.“Das merke sie etwa am Mitglieder­zuwachs bei den bayerische­n Grünen. „Die kommen nicht nur, weil wir so tolle Tierschutz­politik machen. Die Menschen haben verstanden, dass die Demokratie zu bröseln beginnt. Sie wollen dafür kämpfen, weil sie wissen, dass das auch ihr Job ist.“

Diesen Schwung müssten die österreich­ischen Grünen mitnehmen. Schulze erinnert an ihr Erfolgsrez­ept: Begeisteru­ng wecken, einen „positiven, zugewandte­n Politik-Stil pflegen“.

Es klingt fast zu einfach.

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Katharina Schulze: „Die EU ist noch nicht perfekt. Aber zu sagen, wir wollen zurück in den Nationalis­mus – das ist doch crazy“

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