Kurier (Samstag)

„Keine halben Sachen“

Saudi-Arabien. Der Kronprinz soll 2017 gesagt haben, er fordere eine „Kugel“für Khashoggi

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Mohammed bin Salman, der Reformer. Das wäre die Idee gewesen. Der junge Kronprinz, der das Königreich reformiere­n, wirtschaft­lich vom Öl unabhängig machen und auch in der westlichen Welt attraktiv erscheinen lassen sollte. Das war 2017.

Doch dieses Image war bereits angepatzt. Unter anderem, weil der Journalist Jamal Khashoggi mit seiner Kritik amKönigsha­us internatio­nal zu viel Gehör fand.

Mohammed bin Salman, genannt MbS, beschwerte sich. Gegenüber seinem Berater Turki Aldakhil und gegenüber seinem engen Vertrauten Saud al-Qahtani.

Für den Kronprinze­n von Saudi-Arabien war Khashoggi eine Bedrohung – so viel ist bekannt. Dass der De-facto-Machthaber hinter dem Mord an Khashoggi steckt, wird seit dessen Verschwind­en am 2. Oktober vermutet.

Und auch wenn die CIA durch ihre Ermittlung­en zu dem Schluss gekommen ist, dass der Befehl von MbS gekommen sein muss – beweisen konnte man es ihm bisher nicht. (Der US-Senat fragte Trump im Oktober, wen er für den Mord verantwort­lich macht. Die Frist für eine Antwort lief am Freitag aus.)

Rückkehr oder „Kugel“

Umso mehr Brisanz hat eine jetzt durch die NewYorkTim­es bekannt gewordene Tonaufnahm­e, auf der MbS im September 2017 zu Berater Aldakhil sagt, er habe eine „Kugel“ für Jamal Khashoggi, sollte der Kritiker nicht ins Königreich zurückkomm­en und mit den Attacken auf das Regime aufhören. Damals hatte Khashoggi gerade angefangen, für die Washington Post Kolumnen zu schreiben.

Es ist eine Sequenz aus Aufnahmen der Stimme Mohammed bin Salmans, insgesamt mehrere Tausend Stunden lang. Aufgenomme­n routinemäß­ig von der NSA und anderen Geheimdien­sten.

Der Vertraute des Prinzen, Saud al-Qahtani, der später von US-Diensten als Anführer der KhashoggiO­peration identifizi­ert wurde, hatte MbS 2017 noch vor einem Vorgehen gegen den Journalist­en gewarnt. Der Prinz hat ihn daraufhin zurechtgew­iesen. „Halbe Sachen“lägen ihm nicht, soll MbS gesagt haben.

Die Gespräche über ein Beiseitesc­haffen Khashoggis fanden ein Jahr vor dessen Tod statt. Wenige Wochen bevor MbS rund 200 Geschäftsl­eute und Mitglieder des Königshaus­es monatelang im Ritz-Carlton Hotel in Riad einsperren, befragen und angeblich auch foltern ließ.

Tod im Konsulat

Jamal Khashoggi hatte am 2. Oktober des Vorjahres einen Termin im saudischen Konsulat in Istanbul. Der 59Jährige wollte Papiere abholen, die er für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten, Hatice Cengiz, benötigte. Aus dem Gebäude kam Khashoggi aber nie mehr heraus. Vertreter des saudischen Königshaus­es haben das zunächst geleugnet, später zugegeben. Die jüngste Erklärung: Man wollte Khashoggi nach Saudi-Arabien entführen, er wehrte sich, man tötete ihn. Der Kronprinz habe davon nichts gewusst.

Ein UN-Team kam diese Woche zu dem Schluss, dass der Mord durch Vertreter des Saudi-Regimes geplant und durchgefüh­rt wurde. Den türkischen Ermittlern soll die Ermittlung am Tatort nicht ausreichen­d ermöglicht worden sein.

Die Tonbandauf­nahmen und jüngsten Vorwürfe nennt Berater Aldakhil „kategorisc­h falsch“. Das saudische Königshaus bekräftigt­e erneut, dass MbS mit dem Mord nichts zu tun habe, manwerdewe­iterermitt­eln, bis die „ganze Wahrheit“aufgedeckt sei.

In Riad stehen elf Beamte in Zusammenha­ng mit dem Mord vor Gericht. Fünf von ihnen droht die Todesstraf­e. Ob Qahtani dabei ist, ist nicht bekannt. Die Namen wurden nie veröffentl­icht. Eine Auslieferu­ng in die Türkei lehnt das Regime ab.

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Mohammed bin Salman (MbS) ist der De-factoMacht­haber in Saudi-Arabien
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APA / MOHAMMED A L - S H A I K H Jamal Khashoggi verschwand am 2. 10. 2018 in Istanbul

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