„Keine halben Sachen“
Saudi-Arabien. Der Kronprinz soll 2017 gesagt haben, er fordere eine „Kugel“für Khashoggi
Mohammed bin Salman, der Reformer. Das wäre die Idee gewesen. Der junge Kronprinz, der das Königreich reformieren, wirtschaftlich vom Öl unabhängig machen und auch in der westlichen Welt attraktiv erscheinen lassen sollte. Das war 2017.
Doch dieses Image war bereits angepatzt. Unter anderem, weil der Journalist Jamal Khashoggi mit seiner Kritik amKönigshaus international zu viel Gehör fand.
Mohammed bin Salman, genannt MbS, beschwerte sich. Gegenüber seinem Berater Turki Aldakhil und gegenüber seinem engen Vertrauten Saud al-Qahtani.
Für den Kronprinzen von Saudi-Arabien war Khashoggi eine Bedrohung – so viel ist bekannt. Dass der De-facto-Machthaber hinter dem Mord an Khashoggi steckt, wird seit dessen Verschwinden am 2. Oktober vermutet.
Und auch wenn die CIA durch ihre Ermittlungen zu dem Schluss gekommen ist, dass der Befehl von MbS gekommen sein muss – beweisen konnte man es ihm bisher nicht. (Der US-Senat fragte Trump im Oktober, wen er für den Mord verantwortlich macht. Die Frist für eine Antwort lief am Freitag aus.)
Rückkehr oder „Kugel“
Umso mehr Brisanz hat eine jetzt durch die NewYorkTimes bekannt gewordene Tonaufnahme, auf der MbS im September 2017 zu Berater Aldakhil sagt, er habe eine „Kugel“ für Jamal Khashoggi, sollte der Kritiker nicht ins Königreich zurückkommen und mit den Attacken auf das Regime aufhören. Damals hatte Khashoggi gerade angefangen, für die Washington Post Kolumnen zu schreiben.
Es ist eine Sequenz aus Aufnahmen der Stimme Mohammed bin Salmans, insgesamt mehrere Tausend Stunden lang. Aufgenommen routinemäßig von der NSA und anderen Geheimdiensten.
Der Vertraute des Prinzen, Saud al-Qahtani, der später von US-Diensten als Anführer der KhashoggiOperation identifiziert wurde, hatte MbS 2017 noch vor einem Vorgehen gegen den Journalisten gewarnt. Der Prinz hat ihn daraufhin zurechtgewiesen. „Halbe Sachen“lägen ihm nicht, soll MbS gesagt haben.
Die Gespräche über ein Beiseiteschaffen Khashoggis fanden ein Jahr vor dessen Tod statt. Wenige Wochen bevor MbS rund 200 Geschäftsleute und Mitglieder des Königshauses monatelang im Ritz-Carlton Hotel in Riad einsperren, befragen und angeblich auch foltern ließ.
Tod im Konsulat
Jamal Khashoggi hatte am 2. Oktober des Vorjahres einen Termin im saudischen Konsulat in Istanbul. Der 59Jährige wollte Papiere abholen, die er für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten, Hatice Cengiz, benötigte. Aus dem Gebäude kam Khashoggi aber nie mehr heraus. Vertreter des saudischen Königshauses haben das zunächst geleugnet, später zugegeben. Die jüngste Erklärung: Man wollte Khashoggi nach Saudi-Arabien entführen, er wehrte sich, man tötete ihn. Der Kronprinz habe davon nichts gewusst.
Ein UN-Team kam diese Woche zu dem Schluss, dass der Mord durch Vertreter des Saudi-Regimes geplant und durchgeführt wurde. Den türkischen Ermittlern soll die Ermittlung am Tatort nicht ausreichend ermöglicht worden sein.
Die Tonbandaufnahmen und jüngsten Vorwürfe nennt Berater Aldakhil „kategorisch falsch“. Das saudische Königshaus bekräftigte erneut, dass MbS mit dem Mord nichts zu tun habe, manwerdeweiterermitteln, bis die „ganze Wahrheit“aufgedeckt sei.
In Riad stehen elf Beamte in Zusammenhang mit dem Mord vor Gericht. Fünf von ihnen droht die Todesstrafe. Ob Qahtani dabei ist, ist nicht bekannt. Die Namen wurden nie veröffentlicht. Eine Auslieferung in die Türkei lehnt das Regime ab.