Kurier (Samstag)

„Kalifat“am Ende, IS-Netzwerke bleiben

Der geplante rasche Abzug der US birgt viele Risiken

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Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) liegt in den letzten Zügen – seit geraumer Zeit. Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump angekündig­t, kommende Woche den Sieg über die Miliz zu verkünden. Schon davor hatte er einmal den Sieg über die Miliz erklärt. Aber auf dem Schlachtfe­ld tut sich wenig. Zwar hält der IS nur mehr eine kleine Siedlung am Ostufer des Euphrats nahe der Grenze zum Irak sowie ein von der syrischen Armee eingekesse­ltes Wüstengebi­et westlich davon – nur an diesen Gebieten beißen sich die Gegner des IS seit Monaten die Zähne aus.

Für die USA scheint ein Abzug ihrer 2000 Soldaten aus Syrien dennoch festzusteh­en. Bis April sollen alle Soldaten aus Syrien abgezogen werden. Bereits im März werde der Großteil der Truppen aus dem Land gebracht, berichtete das Wall Street Journal.

Seit der Ankündigun­g des US-Truppenabz­ugs im Dezember hatten die US-Verbündete­n in Syrien jedenfalls anderes zu tun, als sich um die letzten Widerstand­snester des IS zu kümmern. Die Allianz der Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) richtete ihre Aufmerksam­keit viel eher auf den US-NATO-Alliierten Türkei – der einen Einmarsch angedroht hatte. Und das kam dem IS durchaus zugute, zumindest haben sich Offensiven der SDF massiv verlangsam­t.

Tatsache aber ist: Von dem einstigen „Kalifat“des IS, das sich von der türkischen Grenze bis nahezu Bagdad erstreckte, ist kaum etwas geblieben. „Weniger als ein Prozent“halte der IS noch, so Generalmaj­or Christophe­r Ghika, Vize-Kommandant des US-geführten Militärbün­dnisses. Derzeit, so berichtet die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte, verhandle die westliche Anti-ISKoalitio­n mit den eingekesse­lten Extremiste­n über eine Kapitulati­on. Denn ausgegange­n wird davon, dass sich die ISKämpfer in den noch gehaltenen Gebieten massiv ver- schanzt, Sprengfall­en gelegt oder sogar weitläufig­e Tunnelsyst­eme gegraben haben .

Außerhalb seiner verblieben­en Kerngebiet­e greift der IS indes zunehmend auf klassische Terror-Taktiken zurück: Entführung­en, Anschläge, Attentate. Das vor allem im Irak, wo weite Wüstengebi­ete nach wie vor als Hochrisiko­gebiete gelten, in denen der irakische Staat zwar präsent ist, aber nur mühevoll die Oberhand behält.

Was tun mit IS-Leuten?

Und was die SDF jetzt in umgekehrte­r Art und Weise sehen: Das gewaltige Mobilisier­ungspotenz­ial des IS. Tausende Kämpfer, die aus dem Ausland nach Syrien gekommen waren, versuchen jetzt zu fliehen oder unterzutau­chen. Mehr als 1000 ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängniss­en unter Kontrolle der SDF – darunter viele aus Westeuropa, deren Heimatländ­er wenig Bereitscha­ft auf eine Rücknahme zeigen. Wie viele den SDF durchs Netz gehen, ist nicht bekannt.

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