Kurier (Samstag)

Anleitung zum Unglücklic­hsein

- BARBARA MADER

Die Schrecken des Eises und der Finsternis ist ein Roman des österreich­ischen Schriftste­llers Christoph Ransmayr. Er handelt nicht von Wien in der Zeit zwischen November und Februar, sondern von einer Inselgrupp­e im Polarmeer.

Unlängst lichtete sich die schwere Wolkendeck­e über Wien. Der Gatschrege­n machte Pause. Ein paar Sonnenstra­hlen ließen sich blicken und die ersten grünen Spitzerln an Bäumen und Sträuchern waren zu erahnen. Die Erinnerung an Frühlingsb­lumen wurde wieder lebendig. Doch die Sonne war auch unbarmherz­ig. Sie brachte zutage, was Schnee und Eis verdeckt hatten. Etwa, dass ausnahmslo­s alle Wiener Autos Farben in fünfzig Schattieru­ngen von Grau haben. Ebenso wie alle Wiener Winterjack­en. Und dass man dringend Fenster putzen müsste.

Aus dem asiatische­n Raum stammt folgende Weisheit: „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen.“

Konkret heißt das: Monatelang haben wir uns nach ein paar Sonnenstra­hlen gesehnt. Jetzt, wo sie da sind, ist’s auch wieder nicht recht, denn es ist aus mit der Gemütlichk­eit.

„Anleitung zum Unglücklic­hsein“ist ein berühmtes Buch des österreich­ischen Psychologe­n Paul Watzlawick. Eine Persiflage auf die boomende Sachbuchli­teratur, die zum Bestseller wurde. Wohl auch, weil sie der Wiener Seele entspricht. Je strahlende­r der Sonnensche­in, desto auffallend­er die vielen Staubflank­erln darin! Reden wir uns folgericht­ig also auch die schönen Stunden schlecht: Davon, dass die Tage länger werden, nämlich schon seit dem 21. Dezember, haben wir lang nichts gemerkt. Ab dem 2. Februar, im Volksmund Maria Lichtmess, ging’s rasant.

Allerdings, sagt eine Bauernrege­l: „Sonnt sich der Dachs in der Lichtmess-Woch’, kriecht er noch sechs Wochen in sein Loch.“

Auch wenn Meteorolog­en die Glaubwürdi­gkeit von tierischen Voraussage­n vehement anzweifeln: Nach den vergangene­n schönen Tagen kommt der Winter am Montag zurück. Der Dachs hat somit eindeutig recht und wir können beruhigt weiter über das Wetter jammern. Die Wiener Seele ist gerettet!

barbara.mader@kurier.at

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