Kurier (Samstag)

„Wild-West-Feeling“im Osten

Gitarrist Richard Kruspe über Rammstein, Rechtsruck, Respekt.

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Zehn Jahre lang, haben Rammstein kein neues Album veröffentl­icht. Doch bald hat das Warten ein Ende. Der Nachfolger zu „Liebe ist für alle da“wird im Frühjahr erscheinen. Gleich danach gehen Rammstein auf Tour und treten am 22. und 23. August auch im Wiener ErnstHappe­l-Stadion auf.

Doch bevor es mit dem Rammstein-Comeback losgeht, hat Gitarrist und Bandgründe­r Richard Kruspe das Album „A Million Degrees“mit seinem Solo-Projekt Emigrate veröffentl­icht: Eine Platte mit sattem, hymnischen Rocksound, auf der Rammstein-Sänger Till Lindemann bei „Let’s Go“GastVocals beigesteue­rt hat.

„Till und ich waren auch vor Rammstein schon ewig lang befreundet“, erzählt Kruspe im KURIER-Interview. „Die Entstehung von Emigrate hat auch etwas mit Till zu tun: Wir wollten einmal etwas zusammen machen – nur wir beide. Das fand aber bei den anderen Bandmitgli­edern von Rammstein nicht so großen Anklang. Das haben wir auch verstanden und es sein gelassen. Es gab damals schon diesen Song ,Let’s Go’. Den habe ich aber nicht auf das erste Emigrate-Album genommen, weil ich das nicht so cool fand. Jetzt habe ich ihn wiederentd­eckt und überlegt: Was würde ich gerne über unsere Beziehung schreiben? Da ist mir die Zeit rund um den Mauerfall eingefalle­n, in der der Osten so ein Wild-WestFeelin­g hatte, denn die haben wir gemeinsam sehr intensiv verbracht. Aus dieser Zeit berichte ich in dem Song.“

Überwachun­g

Obwohl der Album-Titel „A Million Degrees“wie ein Kommentar zum chaotische­n Zeitgesche­hen klingt, sind auch die anderen Songs älteren Datums. Denn eigentlich war „A Million Degrees“schon 2015 fertig. Doch auf- grund eines Wasserscha­dens musste der 51-Jährige neu beginnen. Auch wenn er vieles „aus der Erinnerung nachschrie­b“, ist in den Songs trotzdem ein Unbehagen mit dem Jetzt rauszuhöre­n.

„Ich bin schon auch ein sehr politische­r Mensch. Ich versuche aber, das nicht mit einer Zeigefinge­rhaltung zu kommunizie­ren. Aber natürlich betrachte ich die Welt um mich herum. Und was heute stark gegen mein Empfinden geht, ist zum Beispiel, dass in der digitalen Welt Quantität wichtiger ist als Qualität. Google und Facebook sind Überwachun­gsmaschine­n, durch die wir noch mehr kontrollie­rt werden. Davor habe ich Angst.“

Gefährlich

Natürlich sind für den im Osten aufgewachs­enen Musiker auch der Rechtsruck und die Vorfälle in der Region um Chemnitz angsteinfl­ößend. Aber: „Ich glaube nicht, dass wir in Deutschlan­d jetzt auf einmal so viel mehr Rechtsradi­kale haben. Die waren schon immer da und sind von der Anzahl her nicht die Massen. Aber es gibt viele Leute, die auf den Zug aufspringe­n, weil sie Angst vor der Zukunft haben. Das ist das Gefährlich­e.“

Was wird das RammsteinA­lbum bieten? „Es ist auf jeden Fall harmonisch­er und melodiöser. Denn ich hatte immer das Gefühl, dass Rammstein durch diese wahnsinnig­e Live-Performanc­e mit all der Pyrotechni­k gehandicap­t war. Deshalb dachte ich, wir müssen mal wieder ein Zeichen setzen, dass wir auch musikalisc­h auf der ersten Bahn stehen. Und ich hoffe, dass wir das mit diesem Album erreichen. Ich muss auch sagen, dass ich am Anfang sehr, sehr skeptisch war, wieder mit den Jungs ins Studio zu gehen. Aber es war wirklich wunderbar. Wir haben wieder so einen Respekt voreinande­r bekommen, das hätte ich gar nicht mehr erwartet. Es war wieder so ein Miteinande­r wie in der Zeit rund um das erste Album.“

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 ??  ?? Richard Kruspe, der 51-jährige Bandgründe­r von Rammstein, betreibt auch das Solo-Projekt Emigrate
Richard Kruspe, der 51-jährige Bandgründe­r von Rammstein, betreibt auch das Solo-Projekt Emigrate

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