Kurier (Samstag)

Bei der Passkontro­lle zeigt er seinen Zwirn

Der Alltag wird ver-rückt

- – P. PISA

Der Grazer Clemens J. Setz wird immer normaler. Diesen Satz wird man gleich bereuen, deshalb schnell der nächste:

Seine Erzählunge­n, 20 im Band „Der Trost runder Dinge“, beginnen ganz alltäglich, eine Krankensch­wester wird entlassen, eine Frau bucht für eine Nacht einen Mann, und es fliegt jemand nach Oslo und geht dort am Hafen spazieren

Aber er ist nicht allein, er hat ein Or. Richtig, ein Or.

Und wenn im Restaurant der Kellner betroppezt schaut, weil für Zwei bestellt wird – der Geschäftsf­ührer wird gleich kommen und sich für dessen Benehmen entschuldi­gen. Soll der Or etwa hungern?

Zwischen den Geschichte­n taucht die Frage auf: Ist der Salamander, der in der Sonne liegt und sich nicht rührt, tot? Oder ist vielmehr der Mensch tot, der unruhig hin und her schurlt?

Ansteckend

Es sind sogar mitunter autobiogra­fische Momente, in denen im Laufe der Handlung Setz etwas ver-rücken lässt.

Etwa: Er soll nach Kanada f liegen, stimmt, wo er gemeinsam mit Schriftste­llerkolleg­en Norbert Gstrein im Goethe-Institut vorlesen und diskutiere­n soll.

Beim Zoll kommt die erste Verunsiche­rung, auf die Setz’ Erzählunge­n fein säuberlich abzielen: Er zeigt seinen Pass ... und seinen Zwirn. Seinen was?

Schon im Buch davor („Bot“) kam dem Autor manches im Leben „zwirn“vor. Dieses Wort gefällt nicht nur ihm. Macht Spaß. Ist gefährlich ansteckend. Achtung vor den kommenden Buchbespre­chungen.

Jedenfalls kann er nichts Schlimmes hergezeigt haben – er darf durch, doch fliegt die Maschine nicht, und Setz kehrt zu seiner Lebensgefä­hrtin Marianne heim, bei der sich in der Zwischenze­it Dutzende Menschen eingeniste­t haben.

Alte, Kinder, Frauen, Männer liegen, in Wolldecken gehüllt, im Vorzimmer und unter dem Schreibtis­ch ... und die Gastgeberi­n ist glücklich über das Lazarett .

„Der Trost runder Dinge“ist logischer Kandidat für den Österreich­ischen Buchpreis 2019.

So wie Barbara Zemans „Immerjahn“( siehe links).

Aber logisch muss es ja auch beim Österreich­ischen Buchpreis nicht zugehen.

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Nicht nur Clemens J. Setz (Jahrgang 1982) hat Spaß am „Zwirn“
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ClemensJ. Setz: „Der Trost runder Dinge“Suhrkamp Verlag. 320 Seiten. 24,70 Euro.

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