Kurier (Samstag)

Die Frühstücks­köchin und ihr „König der Dingwelt“ BÜCHER

Vom Job im Café Jelinek zum „Wunderkind“: Barbara Zeman schrieb „Immerjahn“.

- VON PETER PISA

Sie ist so alt wie nie zuvor, 37 nämlich – und jetzt plötzlich nennt man Barbara Zeman: WunderKIND.

(Hat die Burgenländ­erin irritiert festgestel­lt.)

Noch dazu hat sie ihren ersten Roman, „Immerjahn“heißt er, in schönen ALTEN Sätzen geschriebe­n, die wie teures Porzellan klingen.

Man könnte die Sätze als lange Tatzelwurm­formen bezeichnen – was Zemans Schriftste­llerkolleg­e Clemens J. Setz (der auch einmal ein „Wunderkind“war, siehe rechts) tatsächlic­h getan hat.

Festhalten

„Immerjahn“lässt sich bestaunen wie ein Ding in der Vitrine. Holt man den Roman heraus, hat er etwas zu sagen.

Ein reicher Erbe, um die 55 ist Immerjahn junior, will seine Villa, von Mies van der Rohe gebaut, zum Museum machen. Samt Kunstsamml­ung, in der nur ein Künstler fehlt, Leonardo da Vinci.

Dafür hat Immerjahn Knöpfe auf seiner Weste, auf denen Da Vincis Gemälde zu sehen sind.

Von Van Gogh hat er mehrere Gemälde. Ein Leben für die Kunst. Der Reiche als „König unserer Dingwelt“(Barbara Zeman), der sich alles kaufen kann. Kann er sich ewig an den Kunstwerke­n festhalten? Können sie Ungelebtes ersetzen?

Ob ihn seine Frau mit dem besten Freund betrügt, ist ihm nicht wirklich egal. Und die Kunst? Ist nur noch Geld. Ist irgendwie durchs Kaufen vernichtet worden.

Deshalb will Immerjahn das Museum: Er hofft, wenn Menschen kommen und die Bilder betrachten, wird die Kunst neu aufgeladen für ihn.

Armer Mann. Sein Leben zerrinnt. Aber solange er Kraft hat, mit Bauern über den Preis von drei Äpfeln zu verhandeln, muss man nicht weinen um ihn.

Seine Frau ist vehement gegen Vermögenss­teuer. Er äußert sich wenigstens nicht dazu.

Barbara Zeman zum KURIER: „Immerjahn ist für mich eine Chiffre für das obere 1 Prozent bzw. für 0,01 Prozent der Bewohner unserer allerungle­ichsten, leicht apokalypti­schen Welt – unserer fulminante­n Rückkehr ins Fin de Siècle, wenn es um Besitzverh­ältnisse geht: wenige Privilegie­rte, die Mehrheit in größter Unsicherhe­it.“

Und alle streben Immerjahn im Konsumraus­ch trotz allem nach.

Barbara Zeman f lüstert ihren Roman bzw. ihre Verwunderu­ng. Sie schreit an keiner Stelle. Anklagende­s ist in den Tatzelwurm­sätzen gut versteckt.

Lange Zeit arbeitete Zeman als Frühstücks­köchin im Wiener Café Jelinek, um sich das Schreiben dieses Buchs leisten zu können.

Ab jetzt sollte sie nur noch Romane zubereiten.

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Wie lange kann man mit Kunst ein ungelebtes Leben kompensier­en? Barbara Zeman
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Barbara Zeman: „Immerjahn“Verlag Hoffmann und Campe. 288 Seiten. 22,70 Euro.
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