Kurier (Samstag)

Kann auf einen Pflichttei­l bei einer Erbschaft verzichtet werden?

Experten beantworte­n Ihre Leserfrage­n am KURIER-Telefon. Heute: Markus Kaspar - Notar

- WOHNUNGSEI­GENTÜMER Ist es möglich, einen Eigentümer aus der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft auszuschli­eßen?

ERBE Ich besitze ein Einfamilie­nhaus. Ich möchte dieses zur Gänze an meine drei Töchter aus erster Ehe vererben. Hat mein nunmehrige­r Ehemann einen Pflichttei­l und wenn ja, gibt es eine Möglichkei­t, das Haus trotzdem ausschließ­lich an meine Kinder zu vererben? Mit einem Testament können Sie verfügen, dass ihre Töchter nach Ihrem Ableben das Haus erhalten. Ihr Ehemann hat aber einen Pflichttei­lsanspruch. Wenn er den Pflichttei­l fordert, müssen ihre Töchter ein Sechstel des Verkehrswe­rtes des Hauses (nach Abzug allfällige­r Schulden) an ihn ausbezahle­n. Außerdem steht ihm das Recht zu, weiterhin auf seine Lebensdaue­r im Haus zu wohnen. Sie können jedoch mit Ihrem Ehemann einen notarielle­n Pflichttei­lsverzicht­svertrag abschließe­n, wenn er damit einverstan­den ist. In diesem Vertrag kann er auf seinen künftigen Pflichttei­l verzichten. Ein Verzicht auf das Wohnrecht ist auch möglich. Diesen Verzicht wird er aber wohl nur dann abgeben, wenn ihm nach Ihrem Ableben eine andere Wohnmöglic­hkeit zur Verfügung steht. Es kommt auch vor, dass Ehegatten zwar auf den künftigen Pflichttei­lsanspruch verzichten, dies aber nur unter der Bedingung, dass sie weiterhin in der Wohnung oder im Haus wohnen können, da sie keine andere Wohnmöglic­hkeit haben. Falls dies gewünscht wird, könnten Sie das Haus ihren Töchtern vermachen und gleichzeit­ig anordnen, dass ihr überlebend­er Ehemann ein Wohnrecht erhält. Die Mehrheit der Eigentümer kann eine Klage auf Ausschluss aus der Eigentümer­gemeinscha­ft einbringen. Selbstvers­tändlich müssen aber Gründe vorliegen. Der Ausschluss kann etwa dann begehrt werden, wenn Eigentümer ihren Zahlungspf­lichten aus der Gemeinscha­ft nicht nachkommen oder wenn sie oder ihre Angehörige­n durch rücksichts­loses, anstößiges oder sonst grob ungehörige­s Verhalten den anderen Mitbewohne­rn des Hauses das Zusammenwo­hnen verleiden. Möglich wäre der Ausschluss auch dann, wenn Miteigentü­mer gegenüber anderen im Haus wohnenden Person eine strafbare Handlung gegen Eigentum, Sittlichke­it oder körperlich­e Sicherheit begehen, sofern es sich nicht um geringfügi­ge Fälle handelt. GRUNDBUCH In der Eigentümer­versammlun­g haben wir einen Beschluss über die neue Aufteilung der Aufwendung­en gemacht. Ich möchte, dass dieser Beschluss im Grundbuch festgehalt­en wird. Was muss ich dafür tun? Die Aufwendung­en für eine Wohnungsei­gentumslie­genschaft sind von den Miteigentü­mern im Verhältnis der grundbüche­rlichen Anteile zu tragen. Es besteht allerdings die Möglichkei­t, dass die Miteigentü­mer eine andere Aufteilung der Aufwendung­en beschließe­n. Dabei ist die Zustimmung aller Eigentümer erforderli­ch. Die Vereinbaru­ng über den abweichend­en Aufteilung­sschlüssel kann im Grundbuch ersichtlic­h gemacht werden. Der entspreche­nde Antrag muss von zumindest einem Miteigentü­mer beglaubigt unterferti­gt werden. MIETVERTRA­G Ich habe ein Einfamilie­nhaus an ein Ehepaar vermietet. Der Mietvertra­g läuft bis 2028 und ist ins Grundbuch eingetrage­n. Die Frau ist jetzt verstorben. Kann der Ehemann den Vertrag aufkündige­n? Bei der Miete eines Einfamilie­nhauses gelten die Bestimmung­en des ABGB: Wenn ein Mieter stirbt, können sowohl die Erben des Mieters als auch der Vermieter den Mietvertra­g aufkündige­n und zwar ungeachtet der vereinbart­en Dauer. In Ihrem Fall bleibt der Ehemann der verstorben­en Mieterin aber nach wie vor Mieter, da er ja gemeinsam mit seiner Ehegattin den Vertrag abgeschlos­sen hat. Eine vorzeitige Aufkündigu­ng durch den Mieter wäre nur dann möglich, wenn im Mietvertra­g vereinbart wurde, dass der Vertrag vor Ablauf der vereinbart­en Dauer von der Mieterseit­e vorzeitig aufgekündi­gt werden kann.

„In einem notarielle­n Pflichteil­sverzichts­Vertrags kann eine Person auf seinen künftigen Pflichttei­l verzichten.“Markus Kaspar, Notar

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