Kurier (Samstag)

Geschichte-Serie

Der Ansporn, die Welt zu erobern, waren Gewürze. Als der Portugiese Ferdinand Magellan vor 500 Jahren aufbrach, war das einer der Meilenstei­ne in der Geschichte der Globalisie­rung

- TEXT: SUSANNE MAUTHNER-WEBER INFOGRAFIK: MANUELA EBER

Magellan ist damals sicherheit­shalber nicht an Land gegangen. Wochenlang hatte er nach einer sicheren Passage durch die zerklüftet­e Fjordlands­chaft am südlichen Ende des amerikanis­chen Kontinents gesucht. Er trotzte Strömung und Stürmen, Wind und Wellen. Was der Portugiese aber am Ufer sah, war ihm dann doch nicht geheuer: „Eines Tages, als niemand es erwartete, sahen wir am Meer einen völlig nackten Riesen. Er tanzte und sprang und verteilte singend Sand und Staub über seinen Kopf. Er war so groß, dass der größte von uns ihm gerade bis zur Taille reichte.“Schockiert beschrieb der Chronist der Expedition, Antonio Pigafetta, die Szene. Kein Seemannsga­rn übrigens – Spanier und Portugiese­n waren klein, die Ureinwohne­r des fremden Landes dagegen hoch gewachsen.

„Monatelang hat Magellan die Atlantikkü­ste Südamerika­s abgesucht und ist nach dem Motto ,Versuch und Irrtum’ in jede größere Bucht hineingese­gelt“, berichtet der Historiker der Universitä­t Wien, Friedrich Edelmayer. Der Zweck: Einen Weg zu den legendären Gewürzinse­ln finden. Ganz nebenbei sollte es auch die erste Weltumsege­lung werden. Edelmayer spricht von einem „Wettlauf zwischen Spanien und Portugal“.

Um den zu verstehen, muss man etwas ausholen: Lange war der Gewürzhand­el in den Händen der Araber und Venezianer. Im 15. Jahrhunder­t beschlosse­n die europäisch­en Königshäus­er, das zu ändern und wünschten sich „dorthin, wo der Pfeffer wächst“– nach Indien. Denn damals wurde Pfeffer mit Gold aufgewogen. Und Muskat. Und Nelken. Und Zimt. Und all die anderen exotischen Gewürze.

Also schickte Heinrich der Seefahrer seine Kapitäne bereits zu Beginn des 15. Jahrhunder­ts aus, die westafrika­nische Küste zu erkunden und einen Weg um Afrika herum zu finden. Das gelang Bartolomeu Dias 1488 – der Gewürzrout­e zur See stand nichts mehr im Wege. Außer die Araber vielleicht. Sie waren die wirtschaft­liche Supermacht, die den Seehandel vor Indien beherrscht­e. Bis sich die Portu- giesen das Handelsmon­opol im globalen Gewürzhand­el mit brutalster Waffengewa­lt sicherten. Bereits die erste Schiffslad­ung Gewürze, die Vasco da Gama zurück nach Lissabon brachte, soll 60-mal so viel Wert gehabt haben, wie die komplette, zwei Jahre dauernde Expedition gekostet hatte. Es folgten jährliche „Indien Armadas“.

Wo der Pfeffer wächst

Wo die Gewürze wuchsen, wussten die Europäer aber nicht. Händler aus dem Fernen Osten lieferten sie nach Indien. Den Ursprungso­rt des Zimts entdeckten die Portugiese­n 1505 per Zufall, als ein Sturm eines ihrer Schiffe an die Küste Sri Lankas trieb. Bis sie erfuhren, dass Muskatnüss­e auf den winzigen Banda Inseln und Gewürznelk­en auf den SultanatsI­nseln Tidore und Ternate im heutigen Indonesien wuchsen, dauerte es weitere zehn Jahre. 1512 entdeckten die Portugiese­n die für die damalige Zeit wertvollst­en Flecken Erde der Welt, die sagenumwob­enenGewürz­inseln. Ein Besatzungs­mitglied des Entdecker- schiffs soll Ferdinand Magellan gewesen sein, der sich später mit dem portugiesi­schen König überwarf und die Seiten wechselte.

Am 20. September 1519 startete er im Auftrag der spanischen Krone mit fünf Schiffen westwärts, um den Seeweg nach Indien und zu den Gewürzinse­ln zu finden. Hintergrun­d: „1494 wurden mit dem Vertrag von Tordesilla­s die Einflusszo­nen in der Welt aufgeteilt“, sagt Historiker Edelmayer. Das Pech der Spanier: „Das Abkommen versperrte ihnen den Weg nach Osten zu den Gewürzinse­ln. Magellan sollte einen Westweg finden, Gewürze einkaufen, damit man die Expedition­skosten wieder hereinbrin­gt. Und das Monopol der Portugiese­n brechen. Allerdings lag da ganz Südamerika im Weg.“

Dieses Hindernis räumte Magellan 1520 aus dem Weg, als er die eingangs erwähnte nach ihm benannte Magellanst­raße entdeckte und als erster von Osten kommender Europäer in indonesisc­he Gewässer vorstieß. „Als er auf den heutigen Philippine­n eintraf, be- ging er einen strategisc­hen Fehler. Er bekam einen Anfall von Missionsei­fer, wollte alle zum Christentu­m bekehren und die Herrschaft des spanischen Königs errichten“, sagt Edelmayer. „Das funktionie­rte nur auf einer Insel, als er es auf der nächsten versuchte, kames zu einer Auseinande­rsetzung. Magellan wurde getötet.“Sein Nachfolger als Kapitän wurde der Spanier Juan Sebastián Elcano, der an Bord der Victoria die Weltumsege­lung auch beendete.

Die Vormachtst­ellung der Iberer auf den Gewürzinse­ln und im Welthandel sollte bis zum frühen 17. Jahrhunder­t währen, „bis sie die Niederländ­er vertrieben“, sagt Edelmayer. Eines aber steht fest: Die Entdeckung des Seewegs nach Indien durch den Portugiese­n hat den globalen Handel für immer verändert.

INFO Spanien will das 500. Jubiläum der ersten Weltumsege­lung drei Jahre lang feiern. 200 Projekte wurden vorgeschla­genen, 74 sollen umgesetzt werden, darunter die Wanderauss­tellung „Die längste Reise“, das Projekt einer Aktionsthe­atergruppe, die die Welt auf einem „Öko-Schiff“umsegeln will, sowie eine Oper unter Mitwirkung von Startenor Placido Domingo.

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