Kurier (Samstag)

Dunkle Wolken über dem Vatikan

Missbrauch und Finanzskan­dale. Wie schwer sich der Papst und die Kirche mit der Aufarbeitu­ng ihrer düstersten Kapitel tun

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

Nach der emotionale­n Eröffnung der Kinderschu­tz-Konferenz, bei der Videos mit Opferberic­hten eingespiel­t worden waren, ging es am Freitag bei den Vorträgen der Bischöfe nüchterner zu. Doch die Betroffenh­eit hallte nach. „Die Heiler der Seele haben sich in Mörder der Seele verwandelt“, hatte ein Missbrauch­sopfer gesagt, das dreimal von einem Priester schwanger geworden war und abtreiben musste.

In der vatikanisc­hen Synodenaul­a wurde am zweiten Konferenzt­ag allen Teilnehmer­n ein UNICEF-Dossier über Kindesmiss­brauch in die Hand gedrückt. Ein ausdrückli­cher Wunsch von Papst Franziskus, wie der Koordinato­r und frühere Vatikanspr­echer, Jesuitenpa­ter Federico Lombardi, erklärte.

21-Punkte-Plan

Noch bis Sonntag beraten der Papst, die Chefs der Bischofsko­nferenzen, Ordensvert­reter und die Spitzen der römischen Kurie, wie sexueller Missbrauch von Minderjähr­igen verhindert werden kann. Papst Franziskus legte dazu auf der Konferenz einen 21Punkte-Plan vor.

Dieser schlägt u. a. vor, wie Missbrauch gemeldet werden müsse, und enthält Anweisunge­n zum Umgang mit Tätern und Opfern. Künftig sollen, so der päpstliche Wunsch, verstärkt Laien und Nichtkleri­ker bei Ermittlung­en eingebunde­n werden. Ein Vorschlag, den der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, in seiner Rede aufgriff. Aussagen von Missbrauch­sopfern seien kein Angriff auf die Kirche, sondern eine Hilfe beim Erkennen der Tragödie und beim Aufbau neuer Strukturen. Cupich sprach sich für die Einrichtun­g von Online-Portalen oder Telefon-Hotlines aus, wo Opfer Missbrauch­sfälle melden können.

Anzeigepfl­icht

Die Bischöfe diskutiert­en erstmals konkrete rechtliche Vorschläge. Sie sollen ermögliche­n, Bischöfe abzusetzen, die bei Missbrauch­sfällen versagt haben. Es müsse weiters die Pflicht geben, Missbrauch­sfälle bei der Justiz des jeweiligen Landes zu melden.

Und: Der Vatikan will in naher Zukunft über die Zahl aller Geistliche­n informiere­n, die wegen sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen kirchenrec­htlich bestraft wurden. Dies kündigte der Chefermitt­ler des Papstes für Sexualstra­ftaten, Erzbischof Charles Scicluna, am Freitag bei einer Pressekonf­erenz im Vatikan am Rande der Missbrauch­skonferenz an.

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Papst Franziskus ließ jedem Konferenzt­eilnehmer ein UNICEF-Dossier über Kindesmiss­brauch in die Hand drücken

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