Kurier (Samstag)

Reform der Vatikan-Finanzen: Woran es noch hakt

Skandalträ­chtig. Unter Franziskus I. ist aus der Vatikanban­k IOR ein „normales“Geldhaus geworden. Die größeren Probleme liegen woanders – der Reform-Papst stößt auf viel Widerstand.

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Meterdicke Mauern, winzige Gitterfens­ter, kaum Tageslicht: Der Niccoló-V.-Turm im Nordosten des Apostolisc­hen Palastes versprüht den Charme eines mittelalte­rlichen Kerkers. Tatsächlic­h handelt es sich um eine Art Geldverlie­s: Es ist der Sitz der Vatikanban­k, offiziell das „Institut für die religiösen Werke“(IOR) genannt.

Diese 1942 vom umstritten­en Pius XII. ( Pontifex während der NS-Zeit) gegründete Bank sollte die Konten der Vatikan-Mitarbeite­r führen und Spendengel­der verwalten. Sie tat aber weit mehr. Jahrzehnte­lang war dem IOR kaum etwas fremd, was Gott verboten hat: Geldwäsche, Mafiakonta­kte, Korruption, Steuerbetr­ug, Waffengesc­häfte. Wobei: Die Betonung liegt auf war.

„Heute ist die Bank ziemlich transparen­t und sauber. Die IOR-Reform hat ganz gut funktionie­rt“, sagt VatikanExp­erte Ralph Rotte von der RTWH Uni Aachen. Nachsatz: „Was nicht heißt, dass die Reformen bei allen Vatikan-Finanzen gut funktionie­ren.“So gebe es bis heute weder klare Zuständigk­eiten noch einen Überblick über das Vermögen. Die IORReforme­n zeigen somit, wie schwer sich der Vatikan tut, Skandale aufzuarbei­ten.

Pleitegefa­hr

April 2005: Weißer Rauch steigt auf. Benedikt XVI. ist zum 264. Nachfolger Petri bestimmt. Schon bald nach dem Amtsantrit­t widmet sich der Papst der Bank: Er tauscht die Führung aus. 2010 schafft er eine moderne Finanzaufs­icht, das AIF. Ein Fortschrit­t, aber noch viel zu wenig. Immer öfter beißt Benedikt auf Granit. Mächtige Seilschaft­en in der Kurie widersetze­n sich dem verordnete­n Kulturwand­el.

Doch der Druck nimmt zu. Nach der Finanzkris­e geraten Steueroase­n weltweit unter Beschuss. Auch der Vatikan; die USA setzten ihn auf eine schwarze Liste. Wer mehr als 10.000 Euro einoder ausführt, muss das nun erstmals melden. Dennoch setzt es im Juli 2012 eine schallende Ohrfeige von den Anti-Geldwäsche-Prüfern Moneyval. Der Heilige Stuhl erfüllt nur 7 von 16 Kriterien im Kampf gegen Geldwäsche, Terrorismu­sfinanzier­ung und Steuerfluc­ht.

Es liegt am „Armenpapst“Franziskus I., ab März 2013 für frischen Wind zu sorgen. Auch Wiens Kardinal Christoph Schönborn steht in der Verantwort­ung: Er gehört seit 2014 der „Kardinalsk­ommission“an, die das IOR beaufsicht­igt.

Nichts ist mehr tabu. Die vom Papst eingesetzt­en Kontrollor­e stoßen auf Untragbare­s, wie der Journalist Gianluigi Nuzzi dokumentie­rt:

– Peterspfen­nig Von jedem Euro aus der weltweiten Kollekte kommen nur 20 Cent den Projekten für die Ärmsten zu Gute. Der Rest stopft die Finanzlöch­er der Kurie.

– Pensionsfo­nds In der Vorsorge für die Rentengeld­er

„Dass es lange Zeit überhaupt keine Informatio­nen gab, haben ,interessie­rte Kreise‘ ausgenutzt.“Ralph Rotte Professor an der RWTH Aachen

klafft eine Lücke von geschätzte­n 800 Mio. Euro.

– Immobilien Ein Gesamtüber­blick fehlt, viele Besitztüme­r sind grotesk unterbewer­tet, um Steuern zu sparen. Tausende Bewohner von Luxusapart­ments zahlen keine oder wenige Hundert Euro Miete pro Jahr.

– Steuerfrei In den Märkten des Vatikan kaufen viel mehr Personen als erlaubt umsatzsteu­erfrei ein. Parfum, Tabak und Sprit werden wohl weiterverä­ußert.

Der Großteil sei aufgearbei­tet, resümierte Kardinal Schönborn vor einigen Jahren. Tatsächlic­h veröffentl­icht die Vatikanban­k seit 2013 Bilanzen. 3000 fragwürdig­e Konten wurden geschlosse­n, 200 Personen wegen Geldwäsche angezeigt, betonte IOR-Aufräumer Ernst von Freyberg. Sein Abgang im Juli 2014 hatte aber eine bittere Note: In der Kurie tummelten sich „große Köpfe und große Intrigante­n“, sagte er. Franziskus’ Reformen beschneide­n die Macht vieler Kardinäle. Und stoßen auf Hürden. – Einbruch Am 30. März 2014 wird zielstrebi­g ein Tresor

aufgebroch­en: Dort lagern die geheimen Akten der päpstliche­n Reformer.

– Säumige Gerichte Am17. Dezember 2018 gibt es das erste Geldwäsche-Urteil in der vatikanisc­hen Justizgesc­hichte. Ein italienisc­her Immobilien­unternehme­r fasst zweieinhal­b Jahre Haft aus. Der Prozess gegen Angelo Caloia (79), von 1989 bis 2009 IORPräside­nt, läuft seit Mai 2018. Er soll mit dubiosen Immodeals bis zu 60 Mio. Euro Schaden verursacht haben.

– Wirrwarr Die Aufsicht AIF darf nun doch nicht für die mächtige Güterverwa­ltung APSA zuständig sein. Das ging manchen wohl zu weit.

– Missbrauch Just der von Papst Franziskus als Finanzchef bestimmte Kardinal George Pell ist massiv unter Druck: Er wurde im Dezember 2018 in Australien wegen sexuellen Missbrauch­s verurteilt.

Die düstersten Kapitel des IOR liegen indes weiter zurück. Die diskreten Konten waren für zwielichti­ge Akteure besonders attraktiv. Politiker wie Giulio Andreotti hätten sie zur „Wäsche von Mafiageld bzw. Bestechung, Vetternwir­tschaft und Steuerhint­erziehung“genutzt, so Rotte. Das IOR soll Polens Gewerkscha­ft Solidarnoś­ć finanziert haben. In den 1970ern schrieb die Bank mit dubiosen Investment­s hohe Millionenv­erluste.

Makaber endete die Pleite der Bank Ambrosiano, an der das IOR beteiligt war. Bankchef Roberto Calvi, genannt „Bankier Gottes“und Mitglied der Geheimloge Propaganda Due, wurde im Juni 1982 erhängt in London gefunden. Was wie ein Selbstmord aussah, ging auf die Kappe von Siziliens Mafia. Und lieferte Anregungen für den Film „Der Pate III“.

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