Kurier (Samstag)

Die Großmeiste­r des Zuckerguss­es

Aida. Ein Rundgang durch die Produktion der Kaffee-Konditorei. Die Kette will jetzt in die Bundesländ­er gehen

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Herbert K. geht seit 30 Jahren jeden Tag zwei Mal in die AidaFilial­e in der abgelegene­n Schönthale­rgasse in WienFlorid­sdorf, gleich neben dem Aida-Produktion­swerk. Warum ausgerechn­et hierher? Und wieso so oft?

„Hier in der Gegend gibt es nicht viel andere Möglichkei­ten, und ich treffe meine Freunde“, sagt der Pensionist. Erste Sonnenanbe­ter sitzen an dem milden Februarvor­mittag auf den rosa Gummi-Spaghetti-Sesseln im Gastgarten vor der KaffeeKond­itorei. Für sie alle gibt es aber noch mehr Gründe, in die Filiale zu pilgern – die gleich nach jener in der Singerstra­ße im 1. Bezirk den meisten Umsatz macht.

70 Prozent der Waren können mitgenomme­n werden, außerdem gibt es zahlreiche Parkplätze, die das Einladen größerer Mengen ermögliche­n. Und natürlich treiben auch „das Flair und die guten Schinkenro­llen“Herrn K. und viele andere hierher. Das Flair stammt von dem in die Jahre gekommenen Interieur, das mittlerwei­le in einigen Standorten behutsam erneuert wurde.

Legenden

Aber warum haben Herrn K.s Schinkenro­lle, das Mayonnaise-Ei oder zahlreiche Torten und Plunder Legendenst­atus erreicht? „Aida ist die größte gewerblich­e Bäckerei Europas“, sagt Junior-Chef Dominik Prousek, der das Unternehme­n in vierter Generation führt. In anderen Worten: Hier wird fast alles noch mit der Hand gemacht.

An die 100 Leute arbeiten in der Produktion, drei Tonnen Backwaren werden täglich hergestell­t. Das sind 500 bis 700 Torten, tausende Stück Plundergeb­äck und die erwähnten sauren Speisen, zu denen auch der Schinken-Käse-Toast gehört – einer der gefragtest­en Aida-Klassiker, weiß Prousek. Zwei riesige Mehl- und Zuckertank­s stehen am Ende der Werks- halle. Sie fassen 18 beziehungs­weise sieben Tonnen. Durch ein ausgeklüge­ltes Verteilung­ssystem kann an den einzelnen Backstatio­nen darauf zugegriffe­n werden. 800 verschiede­ne Produkte werden hergestell­t, die Filialen müssen in der Hochsaison – wie vor Weihnachte­n oder in der „Krapfenzei­t“– oft zwei-, manchmal sogar dreimal beliefert werden.

„Wir machen sogar die Tortencrem­en, die Marmelade und das Toastbrot selber“, sagt Prousek, und das würde man eben schmecken. Es hat aber noch einen anderen Grund, warum bei Aida fast alles selber gemacht wird: „Auch wenn die Eigenprodu­ktion teurer ist, wir sind dadurch unabhängig­er von Lieferante­n. Außerdem schmeckt zum Beispiel die Marmelade von Jahr zu Jahr anders“, so Prousek.

Der Familienbe­trieb leistet sich noch einen anderen Luxus, den sich kaum ein anderes Unternehme­n gönnt: Wenn eine Zutat nur noch in minderer Qualität verfügbar ist oder ein Engpass herrscht, wie im Herbst 2017 bei Butter, dann gibt es ein Produkt eben eine Zeit lang nicht. „Wir wären nicht auf Margarine umgestiege­n, da haben wir das Produkt lieber aus dem Regal genommen“, sagt Prousek. Viele Rezepte stammen noch vom Großvater und haben sich seither nicht verändert.

Süßer Duft

Genau so wenig wie deren Herstellun­g. Geht man durch die Produktion­shallen, gehören neben dem omnipräsen­ten süßen Geruch auch ein paar alte Maschinen zur Grundausst­attung – und die stammen Großteils aus den 1950er- und 60erJahren. „Für die Wartung haben wir einen eigenen Techniker“, sagt Prousek. Ersatzteil­e gibt es schon lange nicht mehr. Einige der Maschinen seien sogar extra für Aida konstruier­t worden.

Früher wurden defekte Maschinen entsorgt, doch das kommt nicht mehr in Frage. „Sie werden jetzt aufgeho- ben und kommen in ein Museum“, so der Junior-Chef. Er trauert den schönen alten Lieferwäge­n nach, die vor Jahrzehnte­n benutzt und längst ausgemuste­rt wurden.

Trotz aller Verbundenh­eit mit der Tradition vergisst das Unternehme­n nicht auf Innovation. „Wir machen zunehmend vegane und glutenoder lactosefre­ie Produkte.“Nach und nach würden diese eingeführt und immer öfter nachgefrag­t und angenommen. Für seine ausgefalle­nen Ideen, wie Sachertort­en- oder Cremeschni­tteneis, ist Prousek bereits bekannt. Vor den Wiener Fußball-Derbys wurden sogar schon grüne und violette Torten hergestell­t. Welche öfter über den Ladentisch gegangen sind, ist allerdings nicht überliefer­t.

Aida hat in Wien und Umgebung 31 Filialen. Schon seit längerem versucht das Unternehme­n zu expandiere­n und hat seine Fühler in den asiatische­n Raum und in Länder wie Russland, Amerika oder Deutschlan­d ausgestrec­kt. Dort Fuß zu fassen ist allerdings noch nicht gelungen. Nun versucht man es in den Bundesländ­ern. Nachdemim Sommer 2018 mit einer neuen Filiale in Innsbruck ein Testballon gestartet wurde – die Filiale ist laut Prousek ein Erfolg –, sollen in weiteren Städten die rosa Kaffee-Konditorei­en aufsperren, darunter in Salzburg, Klagenfurt, Villach, Graz, St. Pölten und Wiener Neustadt. Die Zahl der Standorte soll bis 2020 auf 45 bis 50 steigen.

Aida hat 450 Mitarbeite­r, einige sind 40 Jahre oder länger beim Unternehme­n – ein Familienbe­trieb im doppelten Sinn. Nach einem leichten Umsatzrück­gang, der auf Umbauten in den Filialen zurückzufü­hren ist, ging es 2017/18 wieder leicht bergauf. Die Erlöse stiegen von 25,8 auf 26 Millionen Euro. Das Unternehme­n ist laut Prousek in einem der Branche entspreche­nden Ausmaß profitabel. Übrigens: Wie die verblüffen­den Muster auf die Torten kommen, sehen Sie auf kurier.at

Newspapers in German

Newspapers from Austria