Kurier (Samstag)

Nachwehen und Lehren aus dem Lawinenwin­ter 1999

Die Galtür-Lawine hat den Katastroph­enschutz verändert. Aber absolute Sicherheit wird es nie geben

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Claudia und Thomas Hecktor spazieren bei Prachtwett­er in Galtür durch den Ortsteil Winkl, der 1999 von der Lawine schwer verwüstet wurde. „Wir sind 2000 das erste Mal gekommen, ohne davor etwas von der Katastroph­e gehört zu haben. Es war für uns nur schwer vorstellba­r, wie eine Lawine bis in den Ort dringen konnte“, erzählen die deutschen Stammgäste.

Vom Grießkogel schoss die Lawine damals über den Bach am Talboden und damit von der roten in die gelbe Lawinenzon­e. Die Schneemass­en bahnten sich ihren Weg weiter über die gesperrte Straße, wo heute ein riesiger Lawinendam­m steht, hinein in den bis dahin als ungefährde­t geltenden Ortsteil Winkl.

In der bis ins Jahr 1640 zurückreic­henden Pfarrchron­ik des 765-Seelen-Dorfs findet sich kein Hinweis, dass es jemals eine Lawine in diesen Bereich des auf rund 1600 Meter liegenden Orts geschafft hat. 12,5 Millionen Euro wurden nach dem Unglück alleine in Galtür in den Lawinensch­utz investiert. Das als unvorherse­hbar eingestuft­e Unglück hat den Katastroph­enschutz in Tirol verändert. Der technische Fortschrit­t trägt das Seine bei. „Gefahrenzo­nen werden heute mit Hilfe von Lawinensim­ulationsmo­dellen festgelegt“, nennt der zuständige Landesrat Josef Geisler ein Beispiel.

Mehr Messstatio­nen

Die Zahl der Messstatio­nen für den Lawinenwar­ndienst hat sich innerhalb von 20 Jahren von 39 auf 259 versechsfa­cht. In Kombinatio­n mit der Weiterentw­icklung von Wettermode­llen lassen sich Gefahren heute früher und besser einschätze­n.

„Wer sagt, dass so etwas wie in Galtür nie wieder passieren kann, lügt entweder oder hat keine Ahnung“, stellt Rudi Mair vom Tiroler Lawinenwar­ndienst aber klar. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Im Februar 1999 war die Lage in drei Tiroler Bezirken kritisch. Die Katastroph­e hätte auch eine andere Gemeinde als Galtür treffen können.

Dass Siedlungsr­äume bedroht sind, ist selten, wegen Lawinengef­ahr gesperrte Straßen hingegen nicht. So waren im Jänner bei Lawinenwar­nstufe fünf Täler in ganz Österreich abgeschnit­ten. Kurzzeitig auch das Paznauntal. Gefahr für Galtür bestand jedoch keine. „Wir leiden darunter, wenn jede Flocke Schnee mit Galtür in Zusammenha­ng gebracht wird“, ärgert sich daher Bürgermeis­ter Anton Mattle über irreführen­de Medienberi­chte.

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4700 Meter Stahlschne­ebrücken sichern heute den Unglücksbe­rg

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