Kurier (Samstag)

Ein Trauermars­ch für den Vorgänger Gustav Mahlers

Zeugen sagen, Brahms habe ein junges Genie getötet. Dem schließt sich der Roman an.

- VON PETER PISA

In der Eisenbahn steht ein junger Mann. Er setzt sich lieber nicht. Er ist ständig auf der Flucht. Vor Brahms. Als im Abteil ein anderer Reisender eine Zigarre anzünden will, zückt er seinen Revolver und ruft in Panik: „Machen Sie die Zigarre aus! Brahms hat den Zug mit Dynamit gefüllt!“Das war 1880. Hans Rott ( Bild) landete als 22-Jähriger in der Landesirre­nanstalt am Brünnlfeld (Wien-Alsergrund), wo Geisteskra­nke nicht nur weggesperr­t, sondern – ein bisschen – behandelt wurden. Dort blieb er. Bis zum Tod, 1884.

Freiwild

Seine Symphonie Nr 1. in EDur, die er im Alter von 20 komponiert hatte, wurde erst 100 Jahre später erstmals aufgeführt.

Gustav Mahler, Rotts Studienkol­lege, spielte Teile davon Freunden auf dem Klavier vor. Sonst war nichts von Rott zu dessen Lebzeiten öffentlich gespielt worden.

Rott war Vorläufer Mahlers (der seine „Erste“1888 komponiert­e). Begründer der „Neuen Symphonie“für den „Neuen Menschen“... und Freiwild für alte Bewahrer wie Johannes Brahms und den Kritiker Eduard Hanslick.

Mit ihm beschäftig­t sich der Schwede Ingvar Hellsing Lundqvist seit Jahrzehnte­n. Sein Roman „Wie man ein Genie tötet“ist die Essenz. Ist Lebenswerk. Ist Trauermars­ch (wobei man unwillkürl­ich an Mahlers 1. denkt).

Kurz ist er, rasch endet er, früh setzte er ein: Mutter und Vater, beliebte Schauspiel­er am Theater an der Wien, starben früh. Hans, verarmt, war auf Stipendien und Auszeichnu­ngen ange-

wiesen, um am Wiener Konservato­rium Orgel und Kompositio­n studieren zu können. Anton Bruckner war einer seiner Lehrer.

Bruckner – der sich an Wiener Schmähunge­n, ihn betreffend, erinnerte – stand für seinen Lieblingss­chüler auf, wenn dieser für erste Kompositio­nen ausgelacht anstatt belohnt wurde: „Ihr werdet euch wundern!“

Rott verdankte ihm ein paar Gulden Einkommen als Organist in der Piaristenk­irche. Allerdings geriet er unter Verdacht, handschrif­tliche Haydn-Noten gestohlen zu haben. Ein falscher Verdacht – der Bibliothek­ar hatte sie verlegt. Unter diesen Umständen aber kündigte Rott. Und ernährte sich besten- falls von Extrawurst. Die war sehr billig (und sehr mehlig). Alle Hoffnungen legte er in seine Symphonie. Es ging um einen Preis. In der Jury saß Brahms. Das ist die Schwachste­lle im Roman, der sich sonst sogar um die Beschaffen­heit des Grases unter jenem Bierfass kümmert, welches Stifter und Richard Wagner austranken.

Neid

Um Brahms kümmert er sich nicht.. Brahms ist einfach nur ein A... Bruckner wird ihm später bei der Rede an Rotts Grab Neid, simpelsten Neid vorwerfen.

Brahms hatte gesagt: „Werfen Sie die Noten in den Mistkübel und suchen Sie sich einen anderen Beruf.“Da schnappte Rott über. Seine Symphonie, Paavo Järvi dirigiert das Orchester des Hessischen Rundfunks, gibt es um acht Euro.

Gehört dazu.

 ?? N IE W B/ ÖN © ??
N IE W B/ ÖN ©
 ??  ?? Ingvar Hellsing Lundqvist beschäftig­t sich seit drei Jahrzehnte­n mit dem Komponiste­n Hans Rott
Ingvar Hellsing Lundqvist beschäftig­t sich seit drei Jahrzehnte­n mit dem Komponiste­n Hans Rott
 ??  ?? Ingvar Hellsing Lundqvist: „Wie man ein Genie tötet“Übersetzt von Jürgen Vater. Picus Verlag. 320 Seiten. 24 Euro. KURIER-Wertung:
Ingvar Hellsing Lundqvist: „Wie man ein Genie tötet“Übersetzt von Jürgen Vater. Picus Verlag. 320 Seiten. 24 Euro. KURIER-Wertung:
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria