Kurier (Samstag)

Eine Jahrhunder­t-Sängerin ist101-jährig gestorben

Die Sopranisti­n war eine der großen Sängerinne­n und prägte die Wiener Nachkriegs­zeit.

- VON GEORG LEYRER

Sie war eine von jenen besonderen Sängerinne­n, denen man das Prädikat „Jahrhunder­t“voranstell­t: Hilde Zadek gehörte zu den großen Sopranisti­nnen der Nachkriegs­zeit. Sie sang viele wichtige Rollen, allein 39 verschiede­ne in 786 Vorstellun­gen an der Wiener Staatsoper; sie nahm sich auch der oftmals von den großen Sängerinne­n geschmähte­n zeitgenöss­ischen Musik an.

Und sie erlebte das 20. Jahrhunder­t in seiner geschichtl­ichen Härte. 1935 musste sie, jüdischstä­mmig, nach Palästina emigrieren, aus Preußen, wo sie – im heutigen Polen – am 15. Dezem- ber 1917 geboren worden war. In Jerusalem bekam sie ihre Gesangsaus­bildung, die Rückkehr nach Europa war musikalisc­h begründet: Zuerst ging sie mit einem Gesangssti­pendium nach Zürich; von dort holte sie Staatsoper­n-Intendant Franz Salmhofer 1947 nach Wien.

Rasanter Einstand

Ihr Einstand ist legendär: Eine Woche nach ihrer Ankunft bekam sie das Angebot, im Opern-Ausweichqu­artier im Theater an der Wien in der „Aida“einzusprin­gen. Sie sagte zu, ohne die Partie studiert zu haben, ohne ein Wort Italienisc­h zu können, ohne eine einzige Probe und ohne je auf einer profession­ellen Bühne gestanden zu haben. „So lernte ich die Aida von 27. Jänner bis 3. Februar 1947, sang sie in der Wiener Oper zum ersten Mal, und am 4. Februar unterzeich­nete ich meinen Vertrag als Solistin“, erinnerte sich Zadek.

Und das unter belastende­n Umständen, wie sie zu ihrem 100. Geburtstag 2017 der APA schilderte: „Ich habe natürlich gezögert, denn Wien war eine Stadt, die mich eigentlich nicht wollte. Um Oper singen zu können, muss manaber sein Publikum lieben. Ich habe gesagt: Alles, was der Herrgott mir gegeben hat, ist meine schöne Stimme. Und die möchte ich so vielen Menschen wie möglich geben.“

Das tat sie dann, außer in Wien noch u.a. bei den Salzburger Festspiele­n, in New York, London, Mailand. Als Aida, als Contessa d’Almavia im „Figaro“, als Marschalli­n im „Rosenkaval­ier“. 1971 zog sie sich zurück. Sie erhielt die höchsten Auszeichnu­ngen, darunter das Große Ehrenzeich­en für Verdienste um die Republik Österreich.

„Mein Herzenswer­k ist der ,Rosenkaval­ier’“, sagte Zadek einmal. „Da dachte ich mir jedes Mal, wenn es zu Ende war: Und jetzt möchte ich sterben. Schon, als ich 30 war.“Nun ist Hilde Zadek, Jahrhunder­t-Sopranisti­n, 101-jährig gestorben.

 ??  ?? Die bedeutende Sängerin Hilde Zadek (auf dem Bild bei ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2017)
Die bedeutende Sängerin Hilde Zadek (auf dem Bild bei ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2017)

Newspapers in German

Newspapers from Austria