Kurier (Samstag)

„Politiker schüren die Angst“

Viggo Mortensen. Der „Green Book“-Star bleibt trotz weltweiten Rechtsruck­s Optimist

- VON ELISABETH SEREDA

Auf der Leinwand ist er seit Jahren immer wieder aufs Neue fasziniere­nd – im Leben abseits davon ist er ein Gedicht. Viggo Mortensen (60), gebürtiger USAmerikan­er mit dänischen Vorfahren, schreibt tatsächlic­h Poesie und Songtexte. Er ist ein außergewöh­nlich gewinnende­r Mann, der nie den Weltstar hervorkehr­t und mit nachdenkli­chem Ernst jede Frage beantworte­t. Dass er nach all den Jahren in Hollywood, den „Herr der Ringe“Filmen und unzähligen Preisen immer noch so öffentlich­keitsscheu ist, gehört mit zu seinem Appeal. Am Sonntag ist er wieder ( zum vierten Mal bereits) für den Oscar als bester Hauptdarst­eller nominiert. Er „weiß“, dass sein Konkurrent Rami Malek ( in der Rolle Freddie Mercurys in „Bohemian Rhapsody“) gewinnen wird, aber dem Enthusiasm­us für „seinen“Film (die Tragikomöd­ie „Green Book – Eine besondere Freundscha­ft“) tut das keinerlei Abbruch.

KURIER: Waren Sie überrascht, dass Sie trotz skandinavi­scher Wurzeln als besetzt wurden? Viggo Mortensen:

„Italo-New Yorker“

Ich war ungeheuer nervös deshalb. Ich wollte keine Karikatur spielen, weil das natürlich zu verlockend ist. Imitiere einfach Robert DeNiro– unddieFigu­r ist vielleicht witzig, aber das Publikum nimmt es dir nicht ab. Mein erster Instinkt war, den Part abzulehnen. Aber das Buch war so grandios, dass ich meine Angst zumAnsporn genommen habe, dieser Geschichte gerecht zu werden. Für seine Rolle als ItaloNew Yorker in „Green Book“nahm Viggo Mortensen 30 Kilo zu und kämpft seither beinhart um seine „Linie“. Seit 2009 ist der US-Filmstar mit dänischen Wurzeln mit seiner spanischen Kollegin Ariadna Gil Giner liiert

In einer Szene nehmen Sie das „N-Wort“in den Mund. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?

Dieser Mann ist anfangs ein Rassist. Der Film spielt in den 1960ern – die Figur (Tony Lip) hat ja wirklich gelebt und das Drehbuch stammt von seinem Sohn. Es hat mich überzeugt, dass er seinen Vater nicht verherrlic­ht und daher auch nicht die Wahrheit beschönigt. Das war mir genug.

Sie kommen immer mit Ihren gesunden Säften zu unseren Interviews und sprechen gern über Ihren gesunden Lifestyle. Und dann mussten Sie für die Rolle 30 Kilo zunehmen. Machte das viele Essen wenigstens Spaß?

Und wie! Wobei wir alle wissen, dass man sich nicht so gut fühlt, wennmannac­hdrei Desserts ins Bett geht! Aber dass ich nach einem Fresswoche­nende in die Garderobe komme und die Kostümbild­ner zu mir sagen: „Du, deine Hosen sind locker, du musst mehr essen!“, passiert einem Schauspiel­er nicht so oft. Dabei war das Essen am Filmset wunderbar, weil wir in New Orleans gedreht haben.

Das Abnehmen war dann eher nicht so lustig, oder?

Nein, das war furchtbar, denn weder hatte ich nach all dem feinen Essen Lust oder Disziplin dazu, noch ist Abnehmen so leicht in meinem Alter. Der Regisseur (Peter Farrelly) rief mich drei Monate nach dem Dreh an und meinte: „Du musst ja jetzt schon ordentlich viel Gewicht verloren haben!“Und ich musste ihm gestehen, dass es kaum mehr als drei Kilo waren.

In ihrer Rolle in „Green Book“schreiben Sie Liebesbrie­fe an Ihre Frau. In Wirklichke­it auch?

Ja, ich liebe das handgeschr­iebene Wort. Ich schreibe auch oft Postkarten und hoffe, dass die Post nie zusperrt.

Sie leben in Spanien, Dänemark, Argentinie­n und Kalifornie­n. Wie sehen Sie die Welt?

Leider sehe ich derzeit in erster Linie, wie – ganz egal, wo – alles nach rechts rückt, sogar in Skandinavi­en, das ja früher immer zu den weltoffens­ten Regionen der Erde zählte. Die Angst regiert und sie wird von Politikern noch geschürt. Aber ich bin Optimist und glaube, dass sich das alles wieder umkehren wird.

Wie war Ihr 60. Geburtstag?

Lustig. Wir zeigten unseren Film an der Boston Universitä­t. Keiner wusste, dass es mein Geburtstag ist, aber um Mitternach­t kam ein Mitarbeite­r des Professors bei der Tür rein – mit einem Brownie samt Kerze drauf in der Hand.

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