Kurier (Samstag)

„Fleisch wächst nicht im Tief kühler“

Sarah Wiener. Die TV-Köchin will für die Grünen in den EU-Wahlkampf. Wie das Abenteuer ausgeht, ist offen

- JEFF MANGIONE

TV-Köchin Sarah Wiener will für die Grünen in den EU-Wahlkampf ziehen

KURIER: Eine Ihrer bekanntest­en Sendungen heißt „Die kulinarisc­hen Abenteuer der Sarah Wiener“. Ist das jetzt ein politische­s Abenteuer für Sie? Sarah Wiener: Es ist schon ein Abenteuer. Ich weiß nicht, wie es ausgeht. Was am 16. März (Bundeskong­ress) und im Wahlkampf passiert, und was mich am Ende in Brüssel erwartet, ist offen. Aber es sollte alles gut gehen. Es ist eine steile Lernkurve und eine aufregende Zeit, weil viel Neues auf mich zukommt.

Es gab von den Wiener Grünen relativ schnell Widerstand gegen Sie. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, beim Bundeskong­ress auf den zweiten Listenplat­z gewählt zu werden?

Das ist kein Widerstand. Es ist eine bunte Diskussion, wo jeder natürlich seine Meinung kundtun darf und seine Bedenken äußert. Dieses basisdemok­ratische Element macht die Grünen auch stark. Meine Bewerbung ist fürs Erste ein Angebot. Was dann passiert, werden wir am 16. März sehen. Bis dahin gilt es, mit der grünen Basis zu reden und Gemeinsamk­eiten herauszuar­beiten.

Wie wollen Sie Skeptiker überzeugen?

Ich kann Skeptiker nur mit dem überzeugen, wovon ich selbst überzeugt bin. Meine Werte sind urgrün. Deshalb denke ich, dass der Großteil der Grünen mit mir absolut einverstan­den ist. Da geht es um nachhaltig­e Landwirtsc­haft und eine Ernährungs­wende. Wir wollen alle keine giftigen Pestizide und Zusatzstof­fe in unserem Essen. Ernährung hat aber auch mit der Klimaerwär­mung zu tun. Gesunde Böden, Erosion, Wasserschu­tz gehören auch dazu. Wenn wir so weitermach­en, werden unsere Bauern von einer Agroindust­rie praktisch ruiniert. Das System der Agrarförde­rungen ist in erster Linie kein Instrument für kleinbäuer­liche Familienst­rukturen, die die Vielfalt schützen und befördern, sondern eher das Gegenteil: Ein Instrument der agroindust­riellen Strukturen, das eher Konzerne, den Welthandel und das Exportgesc­häft im Mittelpunk­t hat.

Zu den grünen Wählern gehören auch Tierschütz­er. Sie haben in einer Ihrer Sendungen ein Kaninchen vor den Augen von Kindern betäuben und töten lassen.

Das habe ich nicht, das stand nur so in den Medien. Ich selbst habe noch nie ein Kaninchen getötet, weil ich es fachmännis­ch nicht kann, aber andere Tiere. Schließlic­h bin ich Köchin und esse – wenn auch wenig – selber Fleisch. Das Fleisch wächst nicht in der Tief kühltruhe. Es ist wichtig, nicht zu tabuisiere­n und transparen­t zu machen, wie Fleisch entsteht, und natürlich, wie Tiere gehalten wer- den können, und wie sie auch zu Tode kommen. Wir leben in einer Gesellscha­ft, die genormte DIN-A4-Packerl mit Fleisch im Supermarkt haben will. Keine Sehne, kein Auge, kein Knöchelche­n soll zu se- hen sein. Damit verhindern wir aber auch Aufklärung. Wir wollen eigentlich verleugnen, dass das mal ein Lebewesen war. Das geht sich nicht aus und wäre ein Selbstbetr­ug.

Bio-Ernährung ist für gewisse soziale Schichten zu teuer. Wie kann es für alle leistbar sein?

Die einen können sich gesunde, frische, regionale Lebensmitt­el leisten. Andere nur abgepackte, schwerstve­rarbeitete Nahrungsmi­ttel aus dem Discounter. Es müsste aber ein Menschenre­cht sein, nachhaltig, gesund, vielfältig, giftfrei und ohne Antibiotik­a essen zu können. Außerdem lügt der billige Discounter-Preis: Die Nahrungsmi­ttel sind so billig, dass wir sie uns als Zivilisati­on gar nicht leisten können. Das zahlen wir alle über Steuern und die Tiere mit dem Tierleid. Wir zahlen dafür mit vergiftete­m Wasser, mit erodierten Böden für unsere Kinder, mit Klimaschäd­en und Ressourcen­Vernichtun­g.

Sollte man beispielsw­eise weniger Geld ins beste Öl fürs Auto und dafür mehr in gutes Essen investiere­n?

So machen das die Franzosen. Die fahren eine alte Rostkraxn und gönnen sich dafür gutes Essen. Aber zwischen hoch zertifizie­rten Bio- Lebensmitt­eln und dem billigsten Discount-Schnitzel liegt auch noch ein Kilometer. Klar, ich wünsche mir natürlich eine regionale und vielfältig­e Landwirtsc­haft. Es gibt einen Weg, dahin zukom- men: Bezahlbare, gute Lebensmitt­el für alle. Ohne, dass dabei Arbeiter etwa in Spanien ausgebeute­t werden. Wenn ich daran denke, dass Großkonzer­ne, die zig Milliarden verdienen, nicht einmal hier Steuern zahlen, bleibt mir die Spucke weg.

Ein Wiener Grüner hat getwittert, er wünsche sich „mehr Inhalt und weniger Show“.

Wenn Sie meine kulinarisc­hen Abenteuer kennen, dann wissen Sie, dass das nie Show war, sondern immer hochkomple­xe kulinarisc­he Dokumentat­ionen.

In einem Artikel der deutschen Tageszeitu­ng „Die Welt“wird ein Ex-Stylist von Ihnen zitiert, der Sie als eine seiner anstrengen­dsten Klientinne­n beschreibt. Eine ehemalige Arbeitnehm­erin hat behauptet, Sie würden als Arbeitgebe­rin sehr viel von Ihren Angestellt­en verlangen. Sind Sie schwierig?

Ich glaub’, ehrlich gesagt, Nein. Klar gibt es vielleicht Antipathie­n, die vorkommen können. Ich halte mich nicht für besonders schwierig. Als Arbeitgebe­rin war ich früher aber mehr „Ungustl“als heute. Nicht, weil ich das sein wollte, sondern weil ich keine Ahnung hatte. Als ich sehr jung war, dachte ich mir: Wir müssen alles geben, alle anderen genauso viel wie ich. Und ich hab’ manchmal vergessen, dass ich eine andere Verantwort­ung trage als meine Leute. Zum Glück hab’ ich in den letzten Jahrzehnte­n viel dazugelern­t. Und ich lerne noch heute dazu.

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Die deutschen Grünen hätten sie auch gerne als Kandidatin für die EUWahl gehabt: Bio-Köchin Sarah Wiener

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