Richard Dinan, Unternehmer
Raumfahrt. Der Geschäftsmann und ehemalige Reality-TV-Star Richard Dinan baut Fusionsreaktoren
„Es geht mir nicht um positive Auswirkungen auf die Menschheit“, sagt der Ex-TV-Star, der am Fusionsreaktor für die Raumfahrt arbeitet.
Kernfusion gilt seit Langem als Energiequelle der Zukunft. Bisher ist es aber unmöglich, mehr Energie aus einem Fusionsreaktor zu beziehen, als hineingesteckt werden muss. Mit dem internationalen Großprojekt ITER, das 2025 fertiggestellt werden soll, wird sich das ändern.
Untypischer Pionier
Den Durchbruch vor Augen, versuchen mehrere Startups, Fusionsreaktoren marktreif zu machen. Eines der ambitioniertesten Projekte kommt aus Großbritannien. Applied Fusion will nicht nur kleine Fusionsreaktoren bauen, um Strom zu erzeugen: Es sollen auch Fusionsantriebe entwickelt werden. Der Gründer, Richard Dinan, ist ein untypischer Pionier auf diesem Gebiet. Der millionenschwere Geschäftsmann ist kein Physiker, sondern vor allem für seine Auftritte in der RealityTV-Show „Made in Chelsea“ bekannt, in der sich alles um reiche junge Briten dreht. Für Dinan selbst ist das kein Widerspruch. „Ich leite seit Jahren private Unternehmen mit Technologiebezug. Daher habe ich eine Menge Expertise in meinem Umfeld. Die Kernfusion ist eine Leidenschaft und ich weiß, wie man technische Projekte schnell umsetzt“, sagt der Unternehmer dem KURIER. Als Konkurrenz zum öffentlich finanzierten ITER-Reaktor sieht Dinan seine Firma nicht. ITER werde den Beweis liefern, dass die Fusion als Energielieferant funktioniert. Die Weiterentwicklung, etwa Miniaturisierung oder Erschließung neuer Fusionstreibstoffe, sieht Dinan in privaten Händen aber besser aufgehoben.
„Wenn ITER eingeschaltet wird, werden die Leute staunen und kleinere Reaktoren verlangen. Dieses Ziel zu erreichen ist dann die Aufgabe der privaten Unternehmen“, sagt Dinan. Er hofft, dass viele verschiedene Ansätze von privaten Firmen ausprobiert werden. Seine Vision geht allerdings über die Erzeugung von Strom hinaus. Dinan will Reaktoren entwickeln, die als Antrieb für Raumschiffe dienen können. „Die Menschheit wird den Planeten irgendwann verlassen müssen. Dazu sind extrem hohe Geschwindigkeiten nötig. Ein Fusionsantrieb könnte die Reisezeit zum Mars halbieren“.
Keine Erfahrungswerte
Wie ein solcher Antrieb genau aussehen soll, weiß heute niemand. Dinan bevorzugt Konzepte, die Fusionsprodukte oder eventuell schnelle Protonen aus dem Reaktor ausstoßen sollen, um direkt Schub zu generieren. Technologisch sollen die Reaktoren ITER ähneln. Ein Fusionsprozess, der weniger Neutronen erzeugt, etwa mit Helium-3 als Treibstoff, wäre im All wünschenswert. Damit müsste eine mögliche Besatzung nämlich nicht aufwendig vor der Strahlung geschützt werden. Für einen Einsatz im Weltraum müss- ten auch das Gewicht und die Größe der Reaktoren deutlich sinken. „Wir wollen innerhalb der nächsten zehn Jahre erste Fusionsexperimente im Weltraum starten. Wenn wir das nicht schaffen, schaut es schlecht für die Idee aus“, sagt Dinan.
Selbst wenn der Antrieb sich nicht realisieren lässt, will Applied Fusion weiter an Reaktoren arbeiten. „Fusion ist ein großes Forschungsfeld, da geht es nicht nur um Stromgewinnung. Auch im All brauchen wir künftig effiziente Energiequellen. Wenn wir Rohstoffe am Mond abbauen wollen, ist schweres Gerät notwendig. Das braucht viel Energie“, erklärt Dinan. Derzeit baut seine Firma an ihrem ersten Reaktor, mit einem Durchmesser von etwa zwei Metern.
„Wir bauen unseren ersten Prototypen, 2022 soll er fertig sein. Er ist so konzipiert, dass wir verschiedene Anwendungsszenarien erforschen können“, sagt Dinan. Wenn ITER eingeschaltet wird, will der Jungunternehmer bereit sein, die fusionsbasierte Stromerzeugung weiterzuentwickeln. Das Geld dazu hat er laut eigenen Angaben: „Wir werden von einem Fonds finanziert, hinter dem zahlungskräftige Privatpersonen stecken. Für institutionelle Investoren ist die Sache zu riskant, obwohl langfristig sehr hohe Gewinne winken. Bis wir 100 Megawatt elektrische Leistung mit Fusionskraftwerken generieren, wird es noch lange dauern.“
Kein Philanthrop
Insgesamt sei der Betrag, der in Fusionsforschung gesteckt wird, lächerlich, sagt Dinan. Unbegrenzte, kostenlose Energie werde die Fusion aber auch dann nicht liefern. Das ist für Dinan auch nicht das Ziel: „Ich bin kein Philanthrop. Es geht mir nicht um positive Auswirkungen auf die Menschheit. Mich reizt die Vorstellung, dass da etwas ist, das zwar technisch machbar, aber trotzdem nicht verfügbar ist.“