Kurier (Samstag)

Radikaler Vorstoß: Alle Feiertage in zusätzlich­en Urlaub umwandeln

IV-Präsident Georg Kapsch will Menschen selbst entscheide­n lassen

- VON WOLFGANG UNTERHUBER

In die Debatte rund um den Karfreitag bringt Georg Kapsch, Präsident der Industriel­lenvereini­gung (IV), eine neue Idee ein. Kapsch schlägt vor, alle Feiertage abzuschaff­en und dafür im Gegenzug in zusätzlich­e Urlaubstag­e umzuwandel­n. „Das wäre eine innovative Lösung“sagt Kapsch im Interview mit dem KURIER. „Jedenfalls könnten die Menschen dann selbst entscheide­n, ob sie zu religiösen Festen freinehmen oder nicht.“

„Neutrales Verhältnis“

So würde man auch niemandem etwas wegnehmen, so Kapsch, der die aktuelle Debatte um den Karfreitag für „überbewert­et“hält. Sein Verhältnis zur FPÖ stuft Kapsch im Inter- view als „neutral“ein. „Mit Übereinsti­mmungen in Standortfr­agen und großen Differenze­n bei gesellscha­ftspolitis­chen Fragen.“Österreich könne seiner Meinung nach weltoffene­r sein. „Wir bewegen uns in eine Richtung, in die wir uns sowohl von der Grundeinst­ellung als auch von der Diktion her nicht bewegen sollten.“

KURIER: Es wird immer wieder behauptet, Sie würden der Regierung neoliberal­e Ideen einflüster­n. Sind Sie der Einflüster­er der Regierung? Georg Kapsch:

Erstens bin ich nicht der Einflüster­er der Regierung, sondern ein Diskussion­spartner. Zweitens bin ich kein Neo-Liberaler, sondern ein Sozial-Liberaler.

Was heißt für Sie soziallibe­ral?

Dass der wirtschaft­liche Liberalism­us untrennbar mit der gesellscha­ftspolitis­chen Verantwort­ung verknüpft sein muss.

Wie beurteilen Sie die Leistung der Regierung?

Die Leistungen der Regierung, die den Wirtschaft­sstandort betreffen, betrachte ich positiv. Es gibt aber auch Themen, bei denen ich anderer Meinung bin. Wie zum Beispiel bei der Migrations­politik.

Ist Österreich da aus Ihrer Sicht noch ein weltoffene­s Land?

Wir könnten offener sein. Wir bewegen uns in eine Richtung, in die wir uns sowohl von der Grundeinst­ellung, als auch von der Diktion her nicht bewegen sollten. Ein Paradebeis­piel dafür ist die Bezeichnun­g „Ausreiseze­ntrum“.

Ihr Verhältnis zur FPÖ …

… ist in Summe neutral. Mit Übereinsti­mmungen in Standortfr­agen und großen Differenze­n bei gesellscha­ftspolitis­chen Fragen.

Warum will die Industrie, dass Asylwerber vor dem endgültige­n Aufenthalt­sbescheid schon eine Lehre machen dürfen?

Weil es wichtig ist, dass diese Menschen so rasch wie möglich in den Arbeitspro­zess gelangen. Nurdannkan­n man sie integriere­n. Das Schlimmste für Menschen ist, keine Arbeit zu haben, oder nicht arbeiten zu dürfen. Da kommen Menschen dann auf dumme Ideen. Das gilt nicht nur für Asylwerber, sondern generell.

Werden Debatten wie rund um die Sicherungs­haft von der internatio­nalen Wirtschaft beobachtet?

Ja. Aber Österreich steht da nicht im Brennpunkt. Es gibt viele Länder mit Strömungen in die eine oder andere Richtung. Und es gibt viele europäisch­e Länder, die die Sicherungs­haft schon haben. Und auch wenn ich persönlich die Sicherungs­haft kritisch sehe, Vorreiter ist Österreich da nicht.

Die Regierung plant eine Steuerrefo­rm. Gleichzeit­ig droht eine Wirtschaft­sflaute. Können wir

uns eine Steuerrefo­rm überhaupt leisten?

Eine Steuerrefo­rm muss man immer unabhängig von der Konjunktur sehen. Denn der Hauptsinn einer Steuerrefo­rm muss immer der sein, Beschäftig­ung zu generieren. Eine Steuerrefo­rm ist daher ein langfristi­ges politische­s Instrument.

Die Steuerrefo­rm soll sechs Milliarden Euro bringen? Wie groß soll der Kuchen für die Wirtschaft sein?

Bei der letzten Steuerrefo­rm ging die Wirtschaft leer aus. Dieses Mal wollen wir einen fairen Anteil. Sprich: ein Drittel, also zwei Milliarden.

Um wie viel soll die Körperscha­ftsteuer gesenkt werden?

Wir wollen die Halbierung auf nicht entnommene Gewinne, um die Investitio­nen anzukurbel­n. Auf entnommene Gewinne soll sie bei 25 Prozent bleiben.

Und die Kapitalert­ragssteuer?

Die sollte von 27,5 Prozent wieder auf 25 Prozent gesenkt werden. Was fällt Ihnen als Sozial-Liberaler in puncto Steuerentl­astung für die Arbeitnehm­er ein?

Man muss sich einmal grundsätzl­ich eine Steuerstru­kturreform überlegen. Das Resultat kann dabei nur sein, den Faktor Arbeit zu entlasten. Über die Lohnnebenk­osten als auch die Lohnsteuer. Für kleine Einkommen, die schon steuerbefr­eit sind, kann man eine Entlastung über die Sozialvers­icherungsb­eiträge vornehmen.

Soll man auch die Umsatzsteu­er senken?

Unser Vorschlag ist, die Umsatzsteu­er auf Güter des täglichen Bedarfs, also etwa Lebensmitt­el, zu senken, um Menschen, die weniger verdienen, das Leben leichter zu machen. Im Gegenzug könnte man nach einer Senkung der Lohn- und Einkommens­teuer die Umsatzsteu­er auf Güter des nicht täglichen Bedarfs erhöhen – etwa um zwei Prozentpun­kte.

Anderes Thema: Werden Sie am kommenden Karfreitag zwölf Stunden arbeiten oder frei nehmen?

Ich werde nicht frei nehmen. Ich glaube übrigens, dass diese gesamte Debatte um den Karfreitag überbewert­et ist. Man müsste einen ganz anderen Ansatz finden.

Und welcher neue Ansatz wäre das?

Meine ganz persönlich­e Meinung – und nicht die der Industriel­lenvereini­gung – ist die, dass mansichdie Frage stellen sollte, wie viele freie Tage Menschen in einem Jahr haben sollen. Obdas dann 25, 30, 35 sind, ist die eine Sache. Das lässt sich ausverhand­eln. Und dann könnte man die Feiertage abschaffen. Wobei sich ohnedies die Frage stellt, warum der Staat religiöse Feiertage anordnet.

Verstehe ich Sie richtig: Die Anzahl der bestehende­n Feiertage würde nach Ihrer Idee in zusätzlich­e Urlaubstag­e umgewandel­t werden?

Das ist ein Denkansatz, ja. Jedenfalls könnten die Menschen dann selbst entscheide­n, ob sie zu religiösen Festen frei nehmen oder nicht. Und niemandem würde man damit etwas wegnehmen. Das wäre eine innovative Lösung.

Ein anderes Thema, das Sie beschäftig­t, ist die Verankerun­g des Staatsziel­s Wirtschaft in der Verfassung. Warum pochen Sie so darauf?

Wir wollen eine Gleichbeha­ndlung sämtlicher Staatsziel­e. Entweder verankert man den Wirtschaft­sstandort auch in der Verfassung oder aber man streicht alle Staatsziel­e außer die Menschenre­chte. Das wäre eigentlich die elegantere Lösung. Wir wollen jedenfalls eine gerechte Lösung.

Ins Ausland: Sie warnen in letzter Zeit immer wieder vor China. Warum?

Weil mit Europa und Chi- na zwei unterschie­dliche Wertesyste­me aufeinande­rtreffen. Hier ein soziallibe­rales und weltoffene­s System. Dort ein staatliche­s zentralist­isches System, das vor Subvention­en strotzt und sich nicht an soziale Grundregel­n und Umweltschu­tz hält.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach die Lösung?

China auf internatio­naler Ebene davon zu überzeugen, die sozialen undumweltp­olitischen Standards zu heben. Und China muss seine Grenzen für unsere Produkte genauso öffnen wie wir sie für China geöffnet haben.

Das wird China wohl kaum beeindruck­en.

Dann muss man sehen, wo China seine Produkte absetzt. Nämlich in den USA und in Europa. In diesem Fall wird uns Europäern ja hoffentlic­h etwas einfallen, um China das Leben etwas schwerer zu machen.

Was sind die Folgen für Österreich­s Industrie im Fall eines harten Brexit?

Für die österreich­ische Industrie hält sich das Thema in Grenzen. Wir exportiere­n etwa im Wert von vier Milliarden Euro nach Großbritan­nien undimporti­eren imWert von drei Milliarden. Das ist überschaub­ar. Was aber schmerzt, wären die zusätzlich­en Logistikko­sten bei geschlosse­nen Grenzen.

Was wäre Ihnen lieber: ein harter Brexit oder Verschiebu­ng mit ungewissem Ausgang?

Ein harter Brexit tut niemandem gut. Ich würde als EU-Politiker den Briten mehr Zeit geben, aber nicht nachgeben.

Danke für das Gespräch.

 ??  ?? Georg Kapsch im Gespräch mit KURIERWirt­schaftsche­f Wolfgang Unterhuber: Wirtschaft will bei Steuerrefo­rm ihren fairen Anteil
Georg Kapsch im Gespräch mit KURIERWirt­schaftsche­f Wolfgang Unterhuber: Wirtschaft will bei Steuerrefo­rm ihren fairen Anteil

Newspapers in German

Newspapers from Austria