Strahlende Handys und die Angst vor Krebs
Ein Faktencheck zu den wahren Gefahren
Die Angst vor Krebs durch Handystrahlung ist so alt wie Mobiltelefone selbst. Wissenschaftliche Studien zu dem Thema gibt es zuhauf, ihre Aussagekraft ist jedoch beschränkt.
Zweifelsfrei wurden Krebserkrankungen bisher nicht auf Mobilfunk zurückgeführt. Es gibt jedoch Beobachtungen, aufgrund derer Experten zur Vorsicht mahnen. Auch die Weltgesundheitsorganisation wiegt Nutzer von Mobiltelefonen nicht völlig in Sicherheit.
Während Erwachsene bislang gar nicht bis minimal gefährdet scheinen, werden Strahlengrenzwerte bei Kindern überschritten. Wie sich das auf die Entwicklung ihres Gehirns auswirkt, ist noch unklar.
„Die Beweise sind eindeutig: Handystrahlung verursacht Krebs“– mit Schlagzeilen wie dieser, mit „Aufklärungsvideos“auf YouTube oder Aufklebern gegen Handystrahlen wird Angst vor Mobilfunktechnologien verbreitet. Auch 25 Jahre nach dem Start des ersten GSM-Mobilfunknetzes ist die Verunsicherung bei manchen Menschen groß. Sie fürchten, dass sie zu viel Handynutzung krank machen könnte. Als größte Gefahr wird der Krebs gesehen.
Viele Studien
Zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien. Der Tenor: Beweise für ein signifikant höheres Krebsrisiko durch Mobiltelefone gibt es nicht. Einige Studien stellen zwar fest, dass Menschen nach mehr als zehn Jahren intensiver Handynutzung etwas häufiger die Hirntumorformen Gliome und Akustikusneurinome entwickelten. Diese Krebsformen treten aber an sich schon besonders selten auf. Die Aussage- kraft der meisten Studien ist außerdem beschränkt, wie der Informationsdienst Medizin transparent beschreibt. Experimentell lassen sich die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk kaum überprüfen. Man kann weder Menschen jahrelang die Handynutzung unter kontrollierten Bedingungen vorschreiben, noch findet man demografisch ähnliche Vergleichsgruppen, die jahrelang kein Handy benutzen.
So ist man auf andere Studiendesigns angewiesen, die weniger gut objektive Aussagen über Ursachen und Wirkungen machen können. „Viele Studien sind auf gut wienerisch grottenschlecht“, meint Norbert Vana. Der Strahlenphysiker ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Funk, der unter anderem das Infrastrukturministerium berät.
Vorsicht
Experimentelle Langzeituntersuchungen zum Thema hat es nur an Tieren gegeben. Eine US-Studie stellte etwa fest, dass männliche Ratten bei regelmäßiger Bestrahlung mit Mobilfunk vermehrt Herztumore entwickelten. Die Ergebnisse sind schwer auf Menschen umzulegen. Dennoch hat unter anderem diese Studie dazu geführt, dass die internationa- le Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Vorsicht walten lässt. Sie stuft Mobilfunk als „möglicherweise krebserregend“ein. In die entsprechende Risikogruppe 2B fallen unter anderem auch eingelegtes Gemüse, Aloe Vera oder die Arbeit in Wäschereien.
„Die Einstufung der WHO bedeutet nicht, dass man sofort alle Sender abschalten sollte, aber man sollte auch nicht ohne jegliche Bedenken Kindern ab drei Jahren ein Handy in die Hand drücken“, meint Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien. Bei Kindern und Jugendlichen kann die Strahlenbelastung laut bisherigen Studien doppelt so hoch sein wie bei Erwachsenen. „Kinder haben eine andere Kopfgeometrie und eine andere Zusammensetzung des Gehirns“, bestätigt Norbert Vana. „Da werden Strahlengrenzwerte überschritten.“
Wie sich das auf die Entwicklung des Gehirns auswirkt, ist noch nicht ausreichend erforscht. Die Experten empfehlen deshalb, Kinder Mobiltelefone nur mit Maß nutzen zu lassen. „Beim Mobilfunk ist immer die Tumorfrage im Vordergrund“, meint Umweltmediziner Hutter. „Dabei vergisst man oft auf andere Effekte.“Hutter bedauert das Fehlen einer breiteren gesellschaftspolitischen Diskussion über die Folgen des Mobilfunks. Schlafstörungen, Suchtverhalten oder Verkehrsunfälle durch Ablenkung seien schwerwiegende Probleme.
Fazit
Eine Krebsgefahr durch Mobiltelefone ist nicht bewiesen, aber es gibt Forschungsergebnisse, die die WHO vorsichtig machen. Die Erforschung des Themas ist schwierig, weil die aussagekräftigsten Studiendesigns nicht anwendbar sind, unter anderem weil Mobilfunk längst den Alltag fast jedes Menschen durchdringt.
Während Handystrahlung, die internationalen Grenzwerten entspricht, für Erwachsene ungefährlich ist, hat sie auf Kinder möglicherweise ganz andere Wirkungen. Da diese noch nicht ausreichend erforscht sind, sollten Kinder vor zuviel Handynutzung bewahrt werden.