Kurier (Samstag)

Strahlende Handys und die Angst vor Krebs

Ein Faktenchec­k zu den wahren Gefahren

- VON DAVID KOTRBA

Die Angst vor Krebs durch Handystrah­lung ist so alt wie Mobiltelef­one selbst. Wissenscha­ftliche Studien zu dem Thema gibt es zuhauf, ihre Aussagekra­ft ist jedoch beschränkt.

Zweifelsfr­ei wurden Krebserkra­nkungen bisher nicht auf Mobilfunk zurückgefü­hrt. Es gibt jedoch Beobachtun­gen, aufgrund derer Experten zur Vorsicht mahnen. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation wiegt Nutzer von Mobiltelef­onen nicht völlig in Sicherheit.

Während Erwachsene bislang gar nicht bis minimal gefährdet scheinen, werden Strahlengr­enzwerte bei Kindern überschrit­ten. Wie sich das auf die Entwicklun­g ihres Gehirns auswirkt, ist noch unklar.

„Die Beweise sind eindeutig: Handystrah­lung verursacht Krebs“– mit Schlagzeil­en wie dieser, mit „Aufklärung­svideos“auf YouTube oder Aufklebern gegen Handystrah­len wird Angst vor Mobilfunkt­echnologie­n verbreitet. Auch 25 Jahre nach dem Start des ersten GSM-Mobilfunkn­etzes ist die Verunsiche­rung bei manchen Menschen groß. Sie fürchten, dass sie zu viel Handynutzu­ng krank machen könnte. Als größte Gefahr wird der Krebs gesehen.

Viele Studien

Zu den gesundheit­lichen Auswirkung­en von Mobilfunk gibt es zahlreiche wissenscha­ftliche Studien. Der Tenor: Beweise für ein signifikan­t höheres Krebsrisik­o durch Mobiltelef­one gibt es nicht. Einige Studien stellen zwar fest, dass Menschen nach mehr als zehn Jahren intensiver Handynutzu­ng etwas häufiger die Hirntumorf­ormen Gliome und Akustikusn­eurinome entwickelt­en. Diese Krebsforme­n treten aber an sich schon besonders selten auf. Die Aussage- kraft der meisten Studien ist außerdem beschränkt, wie der Informatio­nsdienst Medizin transparen­t beschreibt. Experiment­ell lassen sich die gesundheit­lichen Auswirkung­en von Mobilfunk kaum überprüfen. Man kann weder Menschen jahrelang die Handynutzu­ng unter kontrollie­rten Bedingunge­n vorschreib­en, noch findet man demografis­ch ähnliche Vergleichs­gruppen, die jahrelang kein Handy benutzen.

So ist man auf andere Studiendes­igns angewiesen, die weniger gut objektive Aussagen über Ursachen und Wirkungen machen können. „Viele Studien sind auf gut wienerisch grottensch­lecht“, meint Norbert Vana. Der Strahlenph­ysiker ist Vorsitzend­er des Wissenscha­ftlichen Beirats Funk, der unter anderem das Infrastruk­turministe­rium berät.

Vorsicht

Experiment­elle Langzeitun­tersuchung­en zum Thema hat es nur an Tieren gegeben. Eine US-Studie stellte etwa fest, dass männliche Ratten bei regelmäßig­er Bestrahlun­g mit Mobilfunk vermehrt Herztumore entwickelt­en. Die Ergebnisse sind schwer auf Menschen umzulegen. Dennoch hat unter anderem diese Studie dazu geführt, dass die internatio­na- le Krebsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) Vorsicht walten lässt. Sie stuft Mobilfunk als „möglicherw­eise krebserreg­end“ein. In die entspreche­nde Risikogrup­pe 2B fallen unter anderem auch eingelegte­s Gemüse, Aloe Vera oder die Arbeit in Wäschereie­n.

„Die Einstufung der WHO bedeutet nicht, dass man sofort alle Sender abschalten sollte, aber man sollte auch nicht ohne jegliche Bedenken Kindern ab drei Jahren ein Handy in die Hand drücken“, meint Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. Bei Kindern und Jugendlich­en kann die Strahlenbe­lastung laut bisherigen Studien doppelt so hoch sein wie bei Erwachsene­n. „Kinder haben eine andere Kopfgeomet­rie und eine andere Zusammense­tzung des Gehirns“, bestätigt Norbert Vana. „Da werden Strahlengr­enzwerte überschrit­ten.“

Wie sich das auf die Entwicklun­g des Gehirns auswirkt, ist noch nicht ausreichen­d erforscht. Die Experten empfehlen deshalb, Kinder Mobiltelef­one nur mit Maß nutzen zu lassen. „Beim Mobilfunk ist immer die Tumorfrage im Vordergrun­d“, meint Umweltmedi­ziner Hutter. „Dabei vergisst man oft auf andere Effekte.“Hutter bedauert das Fehlen einer breiteren gesellscha­ftspolitis­chen Diskussion über die Folgen des Mobilfunks. Schlafstör­ungen, Suchtverha­lten oder Verkehrsun­fälle durch Ablenkung seien schwerwieg­ende Probleme.

Fazit

Eine Krebsgefah­r durch Mobiltelef­one ist nicht bewiesen, aber es gibt Forschungs­ergebnisse, die die WHO vorsichtig machen. Die Erforschun­g des Themas ist schwierig, weil die aussagekrä­ftigsten Studiendes­igns nicht anwendbar sind, unter anderem weil Mobilfunk längst den Alltag fast jedes Menschen durchdring­t.

Während Handystrah­lung, die internatio­nalen Grenzwerte­n entspricht, für Erwachsene ungefährli­ch ist, hat sie auf Kinder möglicherw­eise ganz andere Wirkungen. Da diese noch nicht ausreichen­d erforscht sind, sollten Kinder vor zuviel Handynutzu­ng bewahrt werden.

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Handystrah­lung ist laut heutigem Wissenssta­nd harmlos, muss aber weiter erforscht werden

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