Kurier (Samstag)

Schonfrist bis zur EU-Wahl

Parteigesc­häftsführe­r Thomas Drozda ist in der SPÖ schwer umstritten. Wird die EU-Wahl kein Erfolg, dürfte die Personalde­batte starten.

- UND VON CHRISTIAN BÖHMER DANIELA KITTNER

Kennen Sie Max Lercher? Ist er Ihnen in Erinnerung geblieben? Lercher war vom Dezember 2017 bis September 2018 SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r. Trotz des kurzen und nach außen weitgehend unauffälli­gen Gastspiels des Steirers in der Bundespoli­tik trauern ihm viele in der Sozialdemo­kratie jetzt nach.

„Du hast nicht gesagt ,Ich bin für Euch da‘, sondern Du warst es. Du hast nicht gesagt ,Schickt’s mir eine Einladung‘, sondern Du bist einfach gekommen. Du warst ein wahrer SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r“, sagte der rote Spitzengew­erkschafte­r Willi

Mernyi auf dem von Lercher veranstalt­eten „ArbeiterAs­chermittwo­ch“in Judenburg. Wie Mernyi empfinden es viele in der SPÖ.

Die Trauer der Funktionär­e ist zwar für Lercher schmeichel­haft. Aber sie ist – auch – Ausdruck der Unzufriede­nheit mit Lerchers Nachfolger in der SPÖ-Parteizent­rale: mit Thomas Drozda. Der amtierende SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r hat es geschafft, bei allen Fraktionen in der Partei durchzufal­len. „Außer Pamela Rendi-Wagner hat er niemanden mehr hinter sich“, heißt es in der SPÖ. Drozda war ein Intimus von Christian Kern, als solcher hatte er die Fay

mann- Leute ( Faymann wurde be- kanntlich von Kern gestürzt) von Beginn an gegen sich.

Inzwischen sind aber auch die Linken in der Partei von Drozda enttäuscht.

Sie hätten sich von ihm erwartet, dass er die Defizite, die eine nicht in der Partei verankerte Quereinste­igerin wie Rendi-Wagner zwangsläuf­ig mitbringt, ausgleicht: politi- sche Trittsiche­rheit, parteipoli­tische Reflexe und rasche Reaktionsf­ähigkeit.

„Wenn so etwas wie der Mord in Dornbirn passiert, dann muss die SPÖ sofort den Rücktritt des Innenminis­ters fordern – immerhin ist es ja seine Verantwort­ung, dass ein gefährlich­er Asylwerber frei herumläuft“, sagt ein SPÖler. Stattdesse­n habe die Löwelstraß­e ( Sitz der Parteizent­rale) zuerst nicht reagiert, um später sehenden Auges in die von Türkisblau aufgestell­t Falle mit der Sicherungs­haft zu laufen.

Der „Theaterdir­ektor“, wie Drozda wegen seiner Vergangenh­eit als Kulturmana­ger despektier­lich genannt wird, habe weder den Draht zu den Bundesländ­ern gefunden, noch – wegen seines persönlich­en Lebensstil­s – zu den einfachen Leuten. So versuchen „Parteifreu­nde“nach der Aufregung um Drozdas Uhr nun auch dessen Privat-Porsche zum Thema zu machen.

In der SPÖ gilt die Zeit bis zum 26. Mai als Schonfrist für Drozda. Sollte die EU-Wahl kein Erfolg werden, würde er wohlabgelö­st, heißt es. Besonders die Linken in der Partei machen Druck auf einen Wechsel im Parteimana­gement. Sie befürchten, dass ohne Profession­alisierung der Parteizent­rale auch RendiWagne­r nicht zu halten sein wird, und es zu einem Kurswechse­l zu den Rechten in der Partei (Stichwort Hans Peter Doskozil) käme.

Die Doskozil-Fans wiederum agieren nach dem Motto: Ich hau’ den Sack und mein’ den Esel. Sie kritisiere­n Drozda, wollen in Wahrheit aber Rendi-Wagner treffen.

Das Problem, das beide Fraktionen eint: das politisch trittsiche­re, strategisc­h denkende Kommunikat­ionsgenie, das alle suchen, ist nicht so einfach zu finden.

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