Kurier (Samstag)

Roter Rechtsbeis­tand für die Kassen

SPÖ klagt beim Höchstgeri­cht gegen türkis-blaue Sozialvers­icherungsr­eform

- – MICHAEL BACHNER

Für Spannung ist gesorgt: Die 14 Richter am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) müssen sich heuer mit der überaus heiklen Kassenfusi­on auseinande­rsetzen.

Die SPÖ klagt gegen die türkis-blaue Sozialvers­icherungsr­eform und zwingt damit die Höchstrich­ter dazu, die Zukunft der Selbstverw­altung neu zu definieren. Also die politisch höchst sensible Frage zu beantworte­n, wie weit der Gesetzgebe­r in die verfassung­srechtlich relativ gut abgesicher­ten Strukturen der Krankenkas­sen und Kammern eingreifen darf. Wenn man so will, geht es daher auch um die Zukunft der Sozialpart­nerschaft.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hofft, dass der VfGH rasch entscheide­t, um „Schaden von den Versichert­en abzuwenden“. Die Regierung habe bei dieser „brandgefäh­rlichen“Reform schließlic­h zentrale Verspreche­n wie die Verschlank­ung der Strukturen, die Aufbringun­g einer „Patientenm­illiarde“oder „gleiche Leistungen für alle“gebrochen.

Verfassung­srechtler Rudolf Müller, früher selbst ein VfGH-Richter, führte ergänzend dazu die tatsächlic­hen Klagspunkt­e aus.

– Effizienz Der Experte sieht in der Kassenfusi­on samt Schaffung des neuen „Verwaltung­smolochs“der Öster- reichische­n Gesundheit­skasse (ÖGK) einen krassen Widerspruc­h zum verfassung­sgemäßen Effizienzg­ebot.

– Vertreter Die neuen Eignungsvo­raussetzun­gen der Versichert­envertrete­r widersprec­hen für Müller den Wahl- und Entsendung­sprinzipie­n der aus dem Kreis der Sozialpart­ner kommenden Funktionär­e.

– Parität Geklagt wird erwartungs­gemäß auch gegen den künftigen Gleichstan­d zwischen Arbeitnehm­er- und Dienstgebe­rvertreter­n in den Kassengrem­ien. Da es auch schwarze Gewerkscha­fter gibt, die nur allzu oft mit den Dienstgebe­rn stimmen würden, drohen hier aus SPÖ- Sicht Mehrheiten für neue Selbstbeha­lte, Krankensta­ndsregelun­gen und andere Entscheidu­ngen zum Nachteil der Arbeitnehm­er. Diese kommen aber laut Müller für mehr als 70 Prozent der Kassenbeit­räge auf.

– Selbstverw­altung Auch in etlichen anderen Punkten orten die SPÖ und ihre Rechtsbera­ter einen Angriff auf die Selbstverw­altung der Sozialvers­icherungst­räger, den es mit Hilfe der Höchstrich­ter zu stoppen gelte. Etwa die geplante Beitragsko­ntrolle durch die Finanz und nicht mehr durch die Kassen selbst. Oder auch die neuen Personal- und Geschäftsf­ührungsbef­ugnisse – weg von den ge- wählten Funktionär­en, hin zu den von türkis-blau eingesetzt­en Angestellt­en.

– Unfallvers­icherung Als einen ersten Vorgeschma­ck auf künftige Einschnitt­e zum Nachteil der Beschäftig­ten und Versichert­en sieht die SPÖ das Veto des blauen Sozialmini­steriums gegen eine höhere Einstufung für OPund Gipsassist­enten in der AUVA. Solche Vorgangswe­isen würden künftig gang und gäbe, unterstell­t die SPÖ der Bundesregi­erung.

Andere Klagen, etwa jene der Gebietskra­nkenkassen, dürfte der VfGH zu einem Verfahren zusammenfa­ssen und über die Materie insgesamt im Herbst oder in seiner Dezember-Session entscheide­n.

 ??  ?? Die Kassenrefo­rm landet erwartungs­gemäß beim Verfassung­sgericht
Die Kassenrefo­rm landet erwartungs­gemäß beim Verfassung­sgericht

Newspapers in German

Newspapers from Austria