Roter Rechtsbeistand für die Kassen
SPÖ klagt beim Höchstgericht gegen türkis-blaue Sozialversicherungsreform
Für Spannung ist gesorgt: Die 14 Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) müssen sich heuer mit der überaus heiklen Kassenfusion auseinandersetzen.
Die SPÖ klagt gegen die türkis-blaue Sozialversicherungsreform und zwingt damit die Höchstrichter dazu, die Zukunft der Selbstverwaltung neu zu definieren. Also die politisch höchst sensible Frage zu beantworten, wie weit der Gesetzgeber in die verfassungsrechtlich relativ gut abgesicherten Strukturen der Krankenkassen und Kammern eingreifen darf. Wenn man so will, geht es daher auch um die Zukunft der Sozialpartnerschaft.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hofft, dass der VfGH rasch entscheidet, um „Schaden von den Versicherten abzuwenden“. Die Regierung habe bei dieser „brandgefährlichen“Reform schließlich zentrale Versprechen wie die Verschlankung der Strukturen, die Aufbringung einer „Patientenmilliarde“oder „gleiche Leistungen für alle“gebrochen.
Verfassungsrechtler Rudolf Müller, früher selbst ein VfGH-Richter, führte ergänzend dazu die tatsächlichen Klagspunkte aus.
– Effizienz Der Experte sieht in der Kassenfusion samt Schaffung des neuen „Verwaltungsmolochs“der Öster- reichischen Gesundheitskasse (ÖGK) einen krassen Widerspruch zum verfassungsgemäßen Effizienzgebot.
– Vertreter Die neuen Eignungsvoraussetzungen der Versichertenvertreter widersprechen für Müller den Wahl- und Entsendungsprinzipien der aus dem Kreis der Sozialpartner kommenden Funktionäre.
– Parität Geklagt wird erwartungsgemäß auch gegen den künftigen Gleichstand zwischen Arbeitnehmer- und Dienstgebervertretern in den Kassengremien. Da es auch schwarze Gewerkschafter gibt, die nur allzu oft mit den Dienstgebern stimmen würden, drohen hier aus SPÖ- Sicht Mehrheiten für neue Selbstbehalte, Krankenstandsregelungen und andere Entscheidungen zum Nachteil der Arbeitnehmer. Diese kommen aber laut Müller für mehr als 70 Prozent der Kassenbeiträge auf.
– Selbstverwaltung Auch in etlichen anderen Punkten orten die SPÖ und ihre Rechtsberater einen Angriff auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger, den es mit Hilfe der Höchstrichter zu stoppen gelte. Etwa die geplante Beitragskontrolle durch die Finanz und nicht mehr durch die Kassen selbst. Oder auch die neuen Personal- und Geschäftsführungsbefugnisse – weg von den ge- wählten Funktionären, hin zu den von türkis-blau eingesetzten Angestellten.
– Unfallversicherung Als einen ersten Vorgeschmack auf künftige Einschnitte zum Nachteil der Beschäftigten und Versicherten sieht die SPÖ das Veto des blauen Sozialministeriums gegen eine höhere Einstufung für OPund Gipsassistenten in der AUVA. Solche Vorgangsweisen würden künftig gang und gäbe, unterstellt die SPÖ der Bundesregierung.
Andere Klagen, etwa jene der Gebietskrankenkassen, dürfte der VfGH zu einem Verfahren zusammenfassen und über die Materie insgesamt im Herbst oder in seiner Dezember-Session entscheiden.