Kurier (Samstag)

Der tiefgekühl­te Onkel Willi zeigt der Familie neue Wege

BÜCHER Ihr – ist ja logisch – dritter Bestseller führt 1000 km von Wien-Liesing nach Montenegro.

- VON PETER PISA

Man kann damit aufhören, in den Büchern der gebürtigen St. Pöltnerin Vea Kaiser Falltüren zu suchen. Es ist nicht jeder Roman dazu da, dass man stürzt und schreit ... und als besserer Mensch wieder auf die Welt kommt. Der Onkel Willi ist tot. Ist das etwa nichts? Sein letzter Wunsch muss erfüllt werden, zur Schwester zog es ihn, sie fürchtet sich im Dunkeln – auf dem Friedhof seines Geburtsort­es in Montenegro will er neben ihr begraben werden.

Paniert

Willi war der Mann von Tante Hedi. Die beiden wohnten in Liesing, und meistens wohnten dort auch Hedis Schwestern Mirl und Wetti. Willi störte nicht. Fein. Zuletzt wohnte auch Lorenz, der Neffe, bei Tanten und Onkel. Ein Schauspiel­er ohne Engagement. Seine Freundin verließ ihn. Macht nichts: Wer Probleme hatte, flüchtete in den Schoß der anderen. Das war immer so.

Man wird viele Geschichte­n über sie hören und das Familienge­heimnis, das nicht jeder erfahren sollte, wird man trotzdem erfahren.

Nun kann, wer das möchte, sagen: Vea Kaisers „Rückwärtsw­alzer“zeigt, was für ein sicherer Ort gute Verwandtsc­haft ist. Mit ganz viel paniertem Fleisch und paniertem Gemüse. Ein Bröselhimm­el zum Ersticken.

Geschminkt

Man kann gern auch ein „Aber“dazu formuliere­n:

Aber so super Willi war, sein Tod lässt neues Leben erwachen. Onkel Willis Tod zeigt, man kann die Schutzzone durchaus verlassen und ein bisschen Eigenveran­twortung übernehmen.

So weit sind wir allerdings erst nach 400 Seiten.

Zuerst wird Willi beim Fleischhau­er gegenüber tiefgefror­en. Der macht das gern, er steht sich’s auf Hedi. Dann Kappe, Sonnenbril­le, Schminke. Ein Leichentra­nsport im Privatauto ist billiger als der offizielle Weg. Los geht’s zur Bucht von Kotor.

So in der Art: Der noch nicht Hundertjäh­rige (aber schon Tote), der auf dem Beifahrers­itz 1000 km bis in sein Grab gebracht wird.

Die Tanten essen derweilen hinten Wurstsemme­ln.

Vea Kaisers potenziell­er dritter Bestseller, nach „Blasmusikp­op“(2012) und „Makarionis­si“(2015): Gar nichts muss man dazu sagen außer: Gute Unterhaltu­ng ist das. Vea Kaiser scheut auch Klamauk nicht. Glaube nicht, dass sich der Zoll so leicht täuschen lässt wie manch Leser.

 ??  ?? Dritter Roman seit 2012: Vea Kaiser; die KURIER-freizeit, für die sie eine Kolumne schreibt, bringt heute einen Auszug aus dem Buch
Dritter Roman seit 2012: Vea Kaiser; die KURIER-freizeit, für die sie eine Kolumne schreibt, bringt heute einen Auszug aus dem Buch
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Vea Kaiser: „Rückwärtsw­alzer“Kiepenheue­r & Witsch Verlag. 448 Seiten. 22,70 Euro.
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