Kurier (Samstag)

Flugdaten führten zu Mafia-Mörder

Fluggastda­ten-Zentralste­lle. Büro des Bundeskrim­inalamtes lieferte auch Hinweis zu Renoir-Diebstahl

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Österreich. Das Bundeskrim­inalamt sammelt die Daten von Millionen Flugpassag­ieren. Damit sollen organisier­te Kriminalit­ät und Terrorismu­s bekämpft werden.

Der Mörder vom Wiener Lugeck – er saß mit seinen späteren Opfern (eines starb, eines überlebte schwer verletzt) im selben Flieger nach Wien. Zwei Tage vor den tödlichen Schüssen im Dezember. Die Fahndung nach dem namentlich bekannten Mafia-Verdächtig­en läuft.

Der Diebstahl eines Renoir-Gemäldes aus dem Wiener Auktionsha­us Dorotheum – einer der drei Täter wurde nach Abgleich der Flugdaten in Amsterdamf­estgenomme­n.

Ein vereitelte­r Anschlag mit Senfgas – fünf Flugbewegu­ngen mit Bezug zu Österreich soll es in dieser Sache gegeben haben. Wo der Anschlag geplant gewesen sein soll, bleibt geheim – es handelt sich um einen Verschluss­akt des BVT.

Was diese drei spektakulä­ren Kriminalfä­lle gemeinsamh­aben, sind drei Buchstaben: PIU – eine Abkürzung für Passenger Informatio­n Unit. In Österreich betreut das Bundeskrim­inalamt die Fluggastda­ten-Zentralste­lle mit 21 Mitarbeite­rn. Die Daten von Flugreisen­den werden hier zwei Mal erfasst. Das erste mal 24 Stunden vor Abflug, das zweite Mal, sobald das Boarding erledigt ist. Dann liefert die Fluglinie Namen, Reiseroute­n, Sitzplätze und Zahlungsar­ten der Passagiere. Die Fluggastda­ten werden vor der Ankunft oder vor dem Abflug mit diversen Fahndungse­videnzen abgegliche­n.

Hendldieb

„Wir verwenden diese Daten nur zur Verhütung und Aufdeckung von terroristi­schen Aktivitäte­n und schwerer Kriminalit­ät“, sagt Büroleiter Siegfried Grill. „Der kleine Hendldieb interessie­rt uns nicht, wir wollen die schweren Jungs.“Die Daten werden für einen Zeitraum von fünf Jahren gespeicher­t. Nach sechs Monaten werden sie allerdings so depersonal­isiert, dass die Identität der Person nicht mehr unmittelba­r festgestel­lt werden kann.

Datenausta­usch

Die Daten werden mit Sicherheit­sbehörden in Österreich ausgetausc­ht – darunter Zollbehörd­en und die Landesvert­eidigung. Andere EU-Mitgliedss­taaten bekommen nur dann Auskunft, wenn sie ein begründete­s Ersuchen stellen, wird betont. „Wir haben Ansuchen auch schon abgelehnt. Und der US-Heimatschu­tz bekommt von uns sicher keine Daten“, betont der Büroleiter. Datenschut­z stehe an oberster Stelle. Nur die 21 Mitarbeite­r der Abteilung hätten Zugriff.

Gearbeitet wird sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. „Bei einem Treffer müssen die Daten schließlic­h unmittelba­r übermittel­t werden.“

Schon im April 2016 wurde von der EU der Beschluss gefasst, dass Fluggastda­ten zur Gefahrenab­wehr gespeicher­t werden müssen. Seit Mai 2018 ist auch Österreich verpflicht­et, die Richtlinie umzusetzen.

Die EU finanziert einen großen Teil der Umsetzung – nämlich bis zu 1,3 Millionen Euro. Zehn Prozent der Förderung zahlt der Bund. Noch befindet sich die Fluggast- datenzentr­alstelle im Probebetri­eb. Bisher liefert auch lediglich eine Fluglinie die geforderte­n Daten an – nämlich die AUA. „Damit decken wir allerdings mehr als 50 Prozent der Flüge ab. Insgesamt müssen 86 Fluglinien angebunden werden – das ist Knochenarb­eit“, schildert Grill.

Doch für die Fluglinien führt auf längere Sicht kein Weg daran vorbei. Leiten sie die Daten nicht weiter, drohen massive Geldstrafe­n.

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750 Flüge haben die Mitarbeite­r täglich im Blick. Bis zu 15-mal täglich wird Alarm geschlagen
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Erkenntnis: Täter und Opfer vom Lugeck saßen im selben Flugzeug
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21 Mitarbeite­r haben den täglichen Flugverkeh­r immer im Blick

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