Eine Macht mit langer Tradition
Auch wenn der schiitische Gottesstaat wirtschaftlich am Boden liegt, nimmt seine politische Macht im Nahen und Mittleren Osten zu. Damit wandelt Teheran in den historischen Fußstapfen der Supermacht, die Persien einmal war
Aus den zerbombten Häusern von Al-Qusayr steigt Rauch auf, doch statt des täglichen Beschuss’ ist Jubel zu hören. Jubel von syrischen Soldaten, die die strategisch wichtige Stadt mehr als zwei Monate lang belagert haben – und nun ihre Einnahme feiern. Es ist der 9. Juni 2013 und der Syrische Bürgerkrieg ist in vollem Gange. Unter den feiernden Kämpfern finden sich jedoch noch andere Soldaten: Seit kurzer Zeit kämpfen die iranischen Revolutionsgarden aufseiten des Assad-Regimes im syrischen Bürgerkrieg – und wandeln damit auf historischen Spuren. Jahrhundertelang gehörte das heutige syrische Staatsgebiet zum Großreich der Perser, das um 500 v. Chr. die uneingeschränkte Supermacht ist: Von Indien bis tief ins heu- tige Libyen erstreckt sich das gigantische Reich, das König Kyros in den Jahrzehnten davor erobert und aufgebaut hat. Sein Nachfolger, Dareios der Große, führt das Land zu vorher ungeahnter Blüte: Er lässt Straßen bauen, schafft ein ausgeklügeltes Nachrichtensystem mit Lichtsignalen, die von Turm zu Turm weitergegeben werden. Berittene Boten überbringen in Windeseile Nachrichten in die entlegensten Winkel des Großreiches, dessen Verwaltung Dareios bis ins Detail organisiert hat.
Und das zu einem Zeitpunkt, als Rom noch ein unbedeutender Fleck auf der Landkarte ist. Auchunbedeutend, doch lästig erscheinen Dareios die Griechen, die einen Aufstand gegen sein Großreich unterstützen. Eine persische Strafexpedi- tion wehren die Athener in der Schlacht von Marathon ab. Den darauffolgenden Großangriff auf die griechischen Stadtstaaten erlebt Dareios nicht mehr – er stirbt zuvor. Sein Sohn Xerxes fällt mit 200.000 Mann einige Jahre später ein – und scheitert fulminant. Als fast 150 Jahre später Alexander der Große seinen Eroberungsfeldzug startet, ist Persien ein träger und zahnloser Staat, der dem Makedonier wenig entgegenzusetzen hat.
Binnen weniger Jahre verschwindet das Großreich von der Landkarte, nach dem Tod Alexanders gerät Persien für 500 Jahre unter Fremdherrschaft, jedoch nehmen die Besatzer stets die persische Kultur an, während die Perser selbst viel von den griechischen Denkschulen übernehmen.
Bis sich der Perser Ardaschir I. aus dem Haus der Sassaniden 250 n. Chr. gegen die Parther erhebt und ein neupersisches Reich ausruft, das sich sogar mit dem Römischen Reich messen kann. Im Jahr 260 können die Perser Kaiser Valerian gefangen nehmen– er dient bis zu seiner Freilassung dem persischen König als dessen Aufstiegshilfe fürs Pferd.
Mit demSiegeszug des Islam erlischt die Macht der Sassaniden, die Bevölkerung konvertiert, strebt in Richtung des schiitischen Islam. Doch abermals passen sich die Besatzer aus Arabien kulturell an, Bagdad wird zum Zentrum der Wissenschaften.
Die nächsten Jahrhunderte erlebt das Land ein Auf und Ab, ohne jemals zu sehr in der Bedeu- tungslosigkeit zu verschwinden, oder zu mächtig zu werden, bewahrt seine Kultur, die immer mehr vom schiitischen Islam durchdrungen wird. Ehe Persien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr zwischen die britischen undrussischen Fronten gerät – und 1907 kurzerhand von den beiden Mächten aufgeteilt wird. 1935 ändert Schah Resa Persien in „Iran“(Land der Arier) um, will mit der Vergangenheit brechen und sich gen Westen orientieren, was bei der Islamischen Revolution 1979 endgültig fehlgeschlagen ist. Der seit 40 Jahren existierende Gottesstaat mag derzeit wirtschaftlich am Boden liegen, politisch ist der Iran ein Schwergewicht, das nach alter Größe strebt.