Brexit-Kleinkrieg mit allen Mitteln
Verschiebung. Bis zum EU-Gipfel kommende Woche versuchen May und ihre Gegner Punkte zu machen
Verschiebung um drei Monate, um zwei Jahre – oder doch ein jäher EU-Ausstieg ohne Vertrag Ende März. Nach dem Abstimmungsmarathon dieser Woche ist man in der britischen Politik wieder mit Tauziehen hinter den Kulissen beschäftigt. Premierministerin May sucht wieder einmal Verbündete. Sie will in der kommenden Woche ihren EU-Austrittsdeal, der bereits zweimal im Parlament durchgefallen ist, ein drittes Mal zur Abstimmung bringen. Mit dem chaotischen „No-Deal-Brexit“vor Augen hofft sie, vor allem Abgeordnete der oppositionellen Labour-Partei als Unterstützer zu gewinnen.
Doch auch Mays erbittertste Widersacher sind unterwegs. Deren Ziel: Den Brexit am 29. März zu erzwingen – und das in der härtesten Variante, ohne Austrittsabkommen und ohne Übergangsfrist.
Veto beim EU-Gipfel
Arron Banks und Andy Wigmore, zwei politische Strategen, die 2016 die Kampagne für den britischen EU-Austritt mitentworfen haben, sollen laut Medienberichten in den letzten Tagen in Norditalien unterwegs gewesen sein. Dort trafen sie sich mit Vertretern der Lega von Innenminister Matteo Salvini. Die rechten, EU-kritischen Hardliner, die seit dem Vorjahr in der Regierung in Rom sitzen, sind für alles zu haben, was die EU schwächt. Und nichts käme da mehr gelegen als ein Chaos- Brexit.
Dafür ist nicht mehr als eine Stimme beim EU-Gipfel in Brüssel in der kommenden Woche notwendig. Dort müssen die EU-27 über den Antrag abstimmen, den May voraussichtlich einbringen wird: Verschiebung des Brexit um drei Monate, also bis Ende Juni. Doch das Veto eines EU-Landes genügt, um diesen Antrag scheitern zu lassen. Die zwingende Konsequenz: Großbritannien fliegt ohne Abkommen Ende März aus der EU – und genau das wollen die „Brexiteers“ja erreichen.
Nicht nur die beiden Brexit-Strategen sind in Sachen Veto unterwegs. Ihr Mitstreiter Nigel Farage – er ist ja Europa-Parlamentarier – ist in Brüssel, um dort in Sachen Veto Unterstützer zu suchen. Seine Ansprechpartner: die üblichen Verdächtigen, also EU-Skeptiker wie die Orbán-Regierung in Ungarn und die rechtskatholische PiS-Regierung in Polen. Eine Gruppe konservativer britischer Parlamentarier ist nach Warschau geflogen, um sich dort mit Vertretern der PiS zu treffen.
Risiko EU-Wahlen
Wie erfolgreich dieses Zündeln im Hintergrund war, wird sich beim EU-Gipfel zeigen. Dann wird auch klar, welche Fristverlängerung Theresa May zu erreichen versucht.
Was in Brüssel auch entschieden werden kann, ist eine Verlängerung um deutlich mehr als drei Monate. Seitdem MaysDeal zumzweiten Mal durchgefallen ist, kursiert diese Idee in London, aber auch in Brüssel. Bis Ende 2020 will man den Brexit verzögern. Nur so, meinen die Verfechter des Plans, könne man neu verhandeln und wirklich ein neues Ergebnis erzielen: mit einer neuen EUKommission mit dem Nachfolger von Jean-Claude Juncker an der Spitze. Das Problem daran: Großbritannien müsste an der EU-Wahl Ende Mai teilnehmen und bliebe vorerst EU-Mitglied.