Kurier (Samstag)

Der Krieg ist vergessen, die Not bleibt

Ukraine. Millionen Menschen sind vom Konflikt im Osten des Landes betroffen. Hilfe kommt auch aus Wien

- AUS DER UKRAINE JULIA SCHRENK

Helga Tippel steht im Vorraum ihres kleinen Hauses im 22. Bezirk – und das ist gar nicht so selbstvers­tändlich, denn viel Platz ist dort nicht mehr. Um sie herum sind Kartons undSäcke gestapelt – mit Stofftiere­n, Kleidung, Elektroger­äten und Medikament­en. All das sammelt sie für einen Hilfstrans­port in die Ukraine. Und auch den organisier­t die 83-Jährige selbst.

Seit 25 Jahren engagiert sich Helga Tippel für das Land, das sich seit fünf Jahren im Krieg befindet (siehe Kasten rechts). Begonnen hat sie 1994, als der Pfarrer ihrer Asperner Kirchengem­einde ukrainisch­e Kinder zur Sommerfris­che nach Wien holte. Kanalkinde­r waren das und Kinder aus zerrüttete­n Familien. Helga Tippel hat sie alle bei Familien in der Donaustadt untergebra­cht – auch zwei oder drei, wenn es sein musste. 800 Kindern hat sie so Ferien in Wien ermöglicht.

Wegen ihrer langjährig­en Unterstütz­ung nennt man Helga Tippel in einem Kinderheim in Kiev bis heute „Mama Austria“. Finanziert wird das Kinderheim über den Fond Aspern der Caritas Wien. Kinder, die dort untergebra­cht sind, wurden ihren Eltern abgenommen, weil die sich nicht ausreichen­d um sie gekümmert haben.

Überleben im Alltag

Die Ukraine ist eines der ärmsten und struktursc­hwächsten Länder Europas. Seit den 1990er-Jahren ist sie deshalb ein Schwerpunk­tland der Caritas.

Als 2014 der Krieg ausgebroch­en ist, wurde der ohnehin schon schwierige Alltag für viele Ukrainer zum Überlebens­kampf. „Der Krieg braucht die Ressourcen auf, die die 5,2 Millionen Menschen, die direkt davon betroffen sind, benötigen würden“, sagt Andrij Waskowycz, Präsident der Caritas Ukraine. Eltern müssen ihre Kinder Inas Sohn Nikita (2) benötigt nach zwei Gaumenspal­ten-OPs nun eine am Herzen. Die 85-jährige Kateryna lebt vereinsamt im Kriegsgebi­et aus der Schule nehmen, weil sie sich den Unterricht nicht mehr leisten können. Andere müssen sich entscheide­n, ob sie Geld für Essen oder Heizen ausgeben. Viele alte Menschen verarmen und vereinsame­n zunehmend. Auch bei Kateryna ist das so.

Die 85-Jährige sitzt dick eingepackt in ihrem kleinen Haus in der Nähe von Starobilsk, nahe der Front. Die meisten ihrer Angehörige­n hat sie schon begraben, erzählt Kateryna. Tochter, Sohn, Enkel und Urenkel leben, kommen aber selten zu Besuch. Längst sind die jüngeren Familienmi­tglieder weggezogen, um dem Krieg zu entkommen.

Menschen wie Kateryna sind angewiesen auf Hilfe von außen. Drei Mal pro Woche bekommt Kateryna Besuch von einer Heimhelfer­in der Caritas. Oft ist das der einzige soziale Kontakt der 85-Jährigen.

Vielen fehlt auch das Geld für medizinisc­he Versorgung. Ina (44) wohnt noch bei ihren Eltern, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Kharkiv, der zweitgrößt­en Stadt der Ukraine. Auf ihrem

 ??  ?? Im Vorraum ihres Hauses in Wien-Donaustadt sammelt die 83-jährige Helga Tippel alles, was Menschen in der Ukraine brauchen können
Im Vorraum ihres Hauses in Wien-Donaustadt sammelt die 83-jährige Helga Tippel alles, was Menschen in der Ukraine brauchen können
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria