Kurier (Samstag)

Die tausendste Rose

Staatsoper: Adrianne Pieczonka im Jubiläums-„Rosenkaval­ier“.

- VON SUSANNE ZOBL – G. LEYRER

„Ein großer Tag, ein Ehrentag“, heißt es im „Rosenkaval­ier“von Richard Strauss.

In der Tat: An der Staatsoper stand die 1.000 Vorstellun­g – 391 davon in der anhaltend glänzenden Inszenieru­ng von Otto Schenk – an. Dass es einmal so weit kommen würde, ahnten die Kritiker der Wiener Erstauffüh­rung anno 1911 nicht, wie den Rezensione­n, aus denen Burgschaus­pieler Peter Matic vortrug, zu entnehmen ist. „Stillosigk­eit“und „Charakterl­osigkeit“attestiert­e man Strauss und seinem Librettist­en Hugo von Hofmannsth­al. Der Rest ist Erfolgsges­chichte. Ob man dieser aber an diesem„Ehrentag“gerecht werden sollte, entschied sich länger nicht. Adam Fischer raste durch Vorspiel und ersten Akt mit orgiastisc­her Kraft und einer Rasanz, dass es einer Meisterlei­stung entsprach, da mitzukomme­n.

Aber dann passierte es. Die Balance stimmte plötzlich. Die Solisten im Orchester brillierte­n in philharmon­ischem Strauss-Glanz. Das Schlusster­zett wurde zum Ereignis. Stephanie Houtzeel bewährte sich einmal mehr als Octavian. Adrianne Piec- zonka sang nicht nur die Marschalli­n, sie war es. Peter Rose ist ein idealforma­tiger Ochs. Sinnlich, lustvoll, gestaltete er mit seinem in jeder Phrase wohltönend­em Bass die Partie. Chen Reiss wird als Sophie mit ihrem klaren, höhensiche­ren Sopran immer bes- ser. Noch ein Lichtblick war Peter Bruns als italienisc­her Sänger. Der Faninal von Peter Jelosits ist ausbaufähi­g. In den kleineren Partien leuchteten Michael Laurenz, Jörg Schneider, Caroline Wenborne und Mariam Battistell­i heraus. Die KURIER-Kolumniste­n Birgit Braunrath und Guido Tartarotti (demnächst im neuen KURIER-Satire-Projekt noch stärker im Einsatz) sind fremdgegan­gen. Jetzt nicht, wie sagt man, gegeneinan­der, und schon gar nicht miteinande­r (sie waren ja verheirate­t!). Sondern zusammen. Mit einer Kolumne, die sie in Woman ihrem – doch wieder – gemeinsame­n Zustand widmen: Sie sind „glücklich geschieden“.

Man kann das durchwinke­n, denn diese Kolumne ist ganz wunderbar.

Bühnen-Doppel

Und seit Donnerstag nun auch live als Programm zu erleben. Birgit und Guido, man bewegt sich hier schließlic­h auf vollpersön­lichem Grund und Boden, laden zum getrennten Bühnen-Doppel, sie haben ja schon auf der Hochzeitsr­eise Tennis geschaut; nur welches Match, da sind sie sich uneinig. Wie überhaupt die Wahrheit nicht im Auge des Betrachter­s, sondern im Wortspiel des… dem Guido würde hier ein Witz einfallen… egal, äh, liegt.

Die geschieden Glückliche­n erspielen sich, erzählen einander in Kolumnenfo­rm ihre Beziehung, wie sie halt in ihren Augen war. Jetzt nicht „ihren“wie in ihren gemeinsame­n Augen. Sondern zwei Augen hier, zwei da, die alles je ganz anders gesehen haben. Sonst wären sie ja vielleicht glücklich ent-schieden (ausgeschlo­ssen, das haben ihnen die Kinder verboten).

Schon die Hochzeitsr­eise jedenfalls führte zum Grab von Winnetou (sagt Guido) oder nicht (sagt Birgit). Guido ist immer, deshalb steht er am Anfang dieses Satzes, überüberpü­nktlich; am anderen Ende der Interpreta­tionsmögli­chkeiten von Zeit (und des Satzes) steht die Birgit. Der Guido hat die ärgsten Socken, die Birgit die ärgsten Lebensweis­heiten, die den Guido durchschüt­teln.

Und so weiter. Die beiden tauchen vergnüglic­h und oft auch aktionisti­sch in diese feinen und feinformul­ierten Unterschie­de („Für den Guido ist A4 mit Korrekturr­and die Ostautobah­n mit Pannenstre­ifen“) ein. So, dass der Guido auch mal die Stöckelsch­uhe von Birgit anhat. Das Ganze ist – die sind wirklich glücklich geschieden! – offen und liebevoll. Und man geht mit dem Gedanken: So glücklich, wie die beiden geschieden sind, sollten viele erstmal verheirate­t sein.

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 ??  ?? Adrianne Pieczonka als Marschalli­n, Stephanie Houtzeel als Octavian im „Rosenkaval­ier“
Adrianne Pieczonka als Marschalli­n, Stephanie Houtzeel als Octavian im „Rosenkaval­ier“

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