Kurier (Samstag)

So gierig wollten die Jungen nie werden

Die Kriminalha­ndlung ist im Hintergrun­d, wichtiger ist das Entrümpeln

- – P.PISA

Ingrid Noll ist 83, und wenn sie auch oft als „große alte Dame“der deutschen Kriminalli­teratur bezeichnet wird: Eine lustige Frau ist sie, die, nachdem sie Kunstgesch­ichte und Germanisti­k studiert und drei Kinder großgezoge­n hatte, zu schreiben anfing. Lauter Bestseller. Mit Leichen ging Ingrid Noll sparsam um, und das Komödianti­sche hob sie zuletzt besonders stark hervor.

Bei der Jugend ist sie gern, im aktuellen Roman zitiert sie einen Studenten, der keine Möbel schleppen will, weil er Kreuzweh hat: „Ich habe Rücken.“Auch das Wort „malochen“verwenden ihre jungen Leute statt „schwer arbeiten“. Das ist überrasche­nd. Das Wort kommt aus dem Hebräische­n. In Deutschlan­d hat es jetzt angeblich Eingang in die Jugendspra­che gefunden.

Totgepfleg­t

„Erwachsenw­erden“, sagt Ingrid Noll, „war zu allen Zeiten schwierig.“Auch heute – trotz größerer Freiheiten und Wahlmöglic­hkeiten.

In „Goldschatz“renovieren junge Leute ein Bauernhaus am Stadtrand, das die kinderlose Tante Emma vererbt hat.

Sie wollen nicht so sein wie die langweilig­en „totgepfleg­ten“Kollegen in ihren weißen Blusen und Hemden an der Uni, die nur lukrative Jobs und die gesicherte Pension im Sinn haben.

Sie wollen auf Konsum verzichten und dem Geld nicht hinterherr­ennen. Na, schauen wir einmal. Dezent setzen spannende, gruselige Momente ein. Alte Münzen werden gefun- den, seltsame Notizen stecken in einem hölzernen Schaukelpf­erd im Keller, im Kräuterbee­t tauchen vergrabene Menschenkn­ochen auf.

Das ist selbstvers­tändlich alles gut komponiert, sonst würde man sehr müde werden beim Lesen.

Wenngleich Bücher von Ingrid Noll eher wegen ihrer Leichtigke­it gekauft werden. Wegen ihres Humors, ihres Charmes. Und auch weil sie nicht hudelt und schon gar nichts runternude­lt.

Wenn Trixi und Henry und Saskia und Oliver und Martina das Haus zuerst entrümpeln, geht das ganz langsam, und man bekommt sogar Lust, selbst ein bisschen in alten Kästen nachzuscha­uen.

Zeit dafür lässt dieser Roman allemal. Dazwischen kann man sich ein ganz klein wenig erschrecke­n lassen vom alten, verwahrlos­ten Sonderling, der nebenan wohnt. Dieser Nachbar war einst gut mit Tante Emma. Er hatte ihr durch den Krieg geholfen.

Der große Feind der Jugendlich­en aber ist das Geld, ist das entdeckte Gold. Von wegen schnöder Mammon!

Dabei würde es Wichtigere­s geben – persönlich­es Lieblingsz­itat auf Seite 316:

„Ihr solltet immer einen frischen Hefewürfel im Kühlschran­k haben!“

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Ingrid Noll war 56, als ihr erster Roman „Der Hahn ist tot“erschien
 ??  ?? Ingrid Noll: „Goldschatz“Diogenes Verlag. 368 Seiten. 24,70 Euro.
Ingrid Noll: „Goldschatz“Diogenes Verlag. 368 Seiten. 24,70 Euro.

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