Mitten im .. FRUHLING
Laut Kalender hat er gerade erst begonnen, doch an bestimmten Orten zeigen sich Blumen und Bäume schon freizeit in voller Pracht: Die hat mit Wetter-Experten fünf Plätze in Europa gefunden, an denen der Frühling früher als anderswo Einzug hält. Eine Reise von Bordeaux über den Schwarzwald, Südengland bis Oberitalien und in die Steiermark.
Die Kirschbäume entlang der Strecke vom Flughafen in die Innenstadt von Bordeaux blühen schon rosa, Ginster und Macchia sind voll dabei und feurig gelb“, schreibt Yasmin aus Bordeaux. Die Französin lebt und arbeitet dort und die Freude über bereits blühende Narzissen, Hyazinthen und Primeln in ihrem Garten ist groß. „Auch mein Kamelien-Strauch ist richtig prachtvoll mit seinen dicken rosa Blüten.“Damit bestätigt sie die Auskunft des Expertenteams der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): Ihre Daten zeigen, dass der Frühling in und rund um Bordeaux stets früher dran ist als an den meisten anderen Orten innerhalb der gemäßigten Klimazone in Europa. Gemeinjsam mit der freizeit haben sich die Klimaforscher von der Hohen Warte Wien auf die Suche nach Landstrichen innerhalb unserer Breiten begeben, um herauszufinden, wo der Frühling am schnellsten hereinspaziert. Bordeaux gehört dazu. Außerdem wollen wir wissen: Wo kommt der Frühling eigentlich her? Ganz aus dem Süden natürlich. Genauer aus dem Südwesten. Im portugiesischen Faro beginnt die beliebte Jahreszeit
bereits Ende Februar, um dann weiter in nördliche Richtung zu ziehen. Bis Mitte April erreicht er die Oberrheinische Tiefebene, also die Gegend bei Freiburg, um einen Monat später die Apfelblüte in Finnland anzustoßen. Dank Wetterstatistik lässt sich berechnen: Im Schnitt ist der Frühling mit einem Tempo von 40 Kilometern pro Tag durch Europa unterwegs.
Auch Südwest- und Südengland profitieren von ihren Wintern über null Grad. Ein E-Mail von Michele aus Brighton an der Südküste, belegt: „Ja, nach einem relativ milden Winter, hat der Frühling eindeutig Einzug gehalten. Die goldgelbe Narzissenpracht ist überall zu sehen.“Und auch frühe Purpur-Orchideen und Buschwindröschen leuchten einem entgegen. „Dort, wo die kräftige Frühlingssonne di- rekt auf Boden und Pflanze trifft, kommt schnell etwas in Bewegung, wenn die Pflanzen sich nicht zu weit in die Erde zurückziehen mussten, weil die Winter zu frostig waren“, bestätigt auch Phänologe Thomas Hübner. Das trifft auf alle fünf hier ausgesuchten Orte und Regionen zu, die den Frühling schneller als anderswo willkommen heißen.
Nach Süden ausgerichtete sonnige Lagen, windgeschützt durch Berge oder Wälder und eher tief gelegen, nimmt der Frühling die Einladung zu bleiben dort lieber an als anderswo: Dazu gehören neben Südwestfrankreich und Südengland auch der Gardasee in Oberitalien und die Steiermark. Ihnen allen ist gemeinsam: milde Winter, viel Sonne und natürlicher Schutz vor kalten Winden. Thomas Hübner beobachtet das Klima und die Jahreszeiten anhand von Pflanzen. Im Gegensatz zur Meteorologie hat seine Einteilung des Frühlings nichts mit dem Jahreskalender zu tun, sondern hängt von der Blüte bestimmter „Zeigerpflanzen“ab: Der biologische „Vorfrühling“beginnt etwa mit Schneeglöckchen, der „Erstfrühling“mit der aufblühenden Forsythie und das große Finale, der „Vollfrühling“, ist angekommen, sobald die Apfelbäume in ihrem weißen Blütenkleid leuchten. Die ersehnte Jahreszeit beginnt also gleich dreimal: am 1. März für die Meteorologen, am 20. März mit der Tagund-Nacht-Gleiche – und an jenen Tagen, an dem der Entwicklungsstand der Pflanzen weit genug gediehen ist. In Wien war dieser bis jetzt nicht sehr weit fortgeschritten. Der wärmere Februar hat den Frühling zwar angeschoben, die Knospen der Forsythien färbten sich recht früh gelb, doch die ersten Blüten zeigten sich hier zirka zehn Tage später als etwa in Freiburg im Schwarzwald. Dort am Oberrhein, der die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich markiert, hat die Blüte der Forsythie bereits Anfang März begonnen.
Bis der Vollfrühling erreicht ist, heißt es mancherorts Geduld. Alles, was bereits begonnen hat sich zu regen, wird durch wolkenverhangene Tage, kalten Wind und leichte Fröste in der Nacht ausgebremst. Aber warum so ungeduldig, die Klimaerwärmung, so die Experten, treibt die Temperaturen konstant nach oben. „Normales“Frühlingswetter, wie noch vor Jahrzehnten, gibt es kaum noch. „Der Frühling ist im Schnitt um zwei Wochen früher dran und dafür umso schneller wieder vorbei“, so Alexander Orlik von der ZAMG.
In Wiens Gärten sind die Schneeglöckchen, je nach Sonneneinfall, gerade verblüht, Krokus und Tulpen strecken sich Richtung Sonne. Können die Klimatologen sagen, wie die Blüte dieses Jahr bei uns weitergeht? „Nicht mehr als drei Tage im Voraus“, heißt es. Phänologe Thomas Hübner: „Letztes Jahr kam die Blüte den ganzen März nicht so richtig in die Gänge. Und dann, plötzlich im April, lief alles innerhalb kürzester Zeit ab – von der ersten Blüte bis zum Sommer.“Der April 2018 war der wärmste seit 200 Jahren. Das war nicht vorhersehbar. So wie die ZAMG-Kollegen trotz mehrfachen Nachfragens sich auch für den April heuer zu keiner Aussage hinreißen lassen wollen. Ein Anruf aus der Steiermark, Bad Radkersburg: „Wir haben unser Wintergewand schon Mitte Februar weggeräumt. Die Forsythien stehen in voller Blüte, die Schneeglöckchen sind seit Wochen verblüht“. Kein Wunder, Bad Radkersburg an der Mur gehört mit seinen 1.980 Sonnenstunden zu den sonnenreichsten Landstrichen Österreichs. Während man sich in Wien Anfang dieser Woche noch in Mantel, Schal und Haube reinkuscheln musste. Das Empfinden: Wir sind im Märzwinter. Es ist der gefühlte Frühling, der für die meisten Menschen entscheidend ist, bestätigen die Wissenschaftler von der Hohen Warte ohne Umschweife. Doch bei wie viel Grad spricht man von Frühlingstemperatur? Die ZAMG-Kollegen sind sich einig: Es gibt keine genaue Definition. Aber ja, irgendwo zwischen 11 und 20 Grad ist er dann doch anzusiedeln. „Ich spüre den Frühling längst“, schreibt eine Facebook-Freundin direkt vom Gardasee. Und entfacht Sehnsucht auf eine Reise: „Es sind der blaue Himmel, die Wärme der Sonne und die Vögel am Morgen, die eindeutig vom Frühling erzählen.“Wir wollen Frühling. Vollfrühling. Jetzt. Also auf an den Gardasee, nach Bordeaux und in die Steiermark. Oder in die Innenstadt Wiens. Denn das ist wohl der überraschendste, wenn auch naheliegende Geheimtipp, den die Hohe Warte der freizeit verrät: Bei Sonnenschein funktioniert das Stadtzentrum wie ein Wärmespeicher. Der heizt nicht nur das Pflanzenwachstum in den Wiener Parkanlagen an, sondern sorgt auch dafür, dass das beste Gefühl in März, April und Mai sogar in der kurzen Mittagspause aufkeimen kann. Bei 1.930 Sonnenstunden im Jahr stehen die Chancen gut. Also auf in den Park: die Sonnenstrahlen im Gesicht, lächelnde Menschen beim Spazieren, die ersten Schmetterlinge im Flug – und die schönste Erkenntnis eines Gefühls: Ja, endlich, der Frühling ist da.