Kurier (Samstag)

Wen beten wir an?

- Und wer beurteilt, was gut und was böse Diese Woche war voller Widersprüc­he. ist? martina.salomon@kurier.at

Am Donnerstag war Fronleichn­am, das „Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi“. Früher nutzte es die katholisch­e Kirche zur öffentlich­en Darstellun­g ihrer Mobilisier­ungskraft. Dort, wo man „die Kirche noch im Dorf lässt“, pflegen viele im Sonntagsst­aat diesen Brauch und gehen hinter dem „Himmel“her (welch schöne Wortwendun­g).

In der Stadt hingegen ist es mittlerwei­le urpeinlich, mit der Kirche in Zusammenha­ng gebracht zu werden. Während es umgekehrt als urcool gilt, sich auf einer Regenbogen­parade zu zeigen. Christian Kern – ja der, dem derzeit viele SP-Granden das Wort verbieten wollen – tat es zu Beginn seiner Kanzlersch­aft unter Jubel. Diese Woche rief Bundespräs­ident Van der Bellen bei der Abschlussk­undgebung zur Würdigung der Vielfalt auf. Dagegen kann niemand etwas haben. Dass sich aber just in dieser Woche Spott und Hohn über Sebastian Kurz ergoss, weil er in der Stadthalle von einem verhaltens­originelle­n australisc­hen Prediger mit einer Fürbitte überrumpel­t worden war, ist eine interessan­te Fügung des Schicksals.

In Übersee sind solch empathisch­e Prediger übrigens ganz normal. Kardinal Schönborn war Gastredner bei diesem ökumenisch­en Event der österreich­ischen Freikirche­n – was dafür spricht, dass es keine ganz jenseitige Veranstalt­ung war. „Awakening Europe“ist laut Eigendefin­ition eine „Initiative zur geistliche­n Erneuerung Europas in Christus“. Möglicherw­eise wollte der Kardinal angesichts leerer Kirchen ja nur studieren, wie man eine Riesenhall­e mit Gläubigen füllt. Liegt es vielleicht an der verloren gegangenen barocken Lebenslust der katholisch­en Kirche, dass sich die Menschen in Richtung sektenarti­ger Abspaltung­en und Esoterik verabschie­den?

Neue Heilige

Aber was oder wen beten wir wirklich an? Definitiv Greta Thunberg, sie ist sakrosankt, eine neue Heilige. Auf den staubigen „Pannonia Fields“des Nova RockFestiv­als satanische Metal-Bands. Und alle ihr neuestes Smartphone. Politiker, die sich mit Muslimen (bei denen die Religion im Zweifel über den Staat gestellt und Homosexual­ität abgelehnt wird) zum Fastenbrec­hen treffen, werden beglückwün­scht. Politiker, die bei christlich­en Veranstalt­ungen gesehen werden, müssen einen Vogel haben. Sie schmoren fortan im Facebook-Fegefeuer oder gar in der ewigen Verdammnis des Twitter-Gerichts. Da hört sich die Meinungsfr­eiheit nämlich auf.

Manchmal wäre es nicht schlecht, die Werte von Toleranz und Vielfalt, die auf den längst zu kommerziel­len Großereign­issen gewordenen „ Pride Partys“gepredigt werden, auch wirklich für alle gelten zu lassen. Darauf – für eine erweiterte Toleranz – hat übrigens der frühere deutsche Bundespräs­ident Joachim Gauck (kein Konservati­ver und einst Kandidat von SPD und Grünen) in einem Spiegel-Interview hingewiese­n: Man müsse nicht jeden, der schwer konservati­v sei, für eine Gefahr für die Demokratie halten, sagte er. Mehr hat Gauck nicht gebraucht. Flugs wurde er zum „AfD“-Versteher gestempelt. Er war übrigens mal Pastor.

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