Universal-Feind der Autokraten
Der US-Milliardär und Philanthrop erhielt in Wien den Schumpeter-Preis
Er freue sich darauf, bald mehr Zeit in Wien zu verbringen, kündigte George Soros (88) am Freitagabend an. Die von dem ungarisch-stämmigen US-Investor und Philanthropen gegründete Privatuni CEU (Central European University) findet hier ab Herbst eine neue Heimat. Die „warmherzige Aufnahme“berühre ihn sehr, so Soros. „Was für ein Kontrast zu einer Stadt, die zweieinhalb Autostunden entfernt ist“, stellte CEU-Rektor Michael Ignatieff fest. In Soros’ Geburtsstadt Budapest hatte die CEU dem politischen Druck weichen müssen.
In Wien erhielt Soros den Schumpeter-Preis 2019 für sein Lebenswerk im Dienste der Freiheit. Er habe die Welt „offener, gerechter, ausgewogener“gemacht, sagte OeNB-Chef Ewald Nowotny in seiner Laudatio.
Viel Feind’, viel Ehr’. Das trifft auf Soros zu wie auf kaum jemanden sonst. Unfassbar reich. Ein kapitalistischer Spekulant. Kosmopolit, Pro-Europäer. Sozial-liberal. Und jüdisch obendrein: Damit gibt Soros das ideale Feindbild für Autokraten und Polit-Extremisten in aller Welt ab. Von weit links bis ganz rechts.
Soros’ politisches Engagement ist in seiner Vita begründet. Mit 14 Jahren musste er sich mit gefälschten Papieren vor den Nazis verstecken, die in Budapest einmarschiert waren. Mit 17 verließ er Ungarn, das nun die Sowjets besetzt hielten, in Richtung London und später USA. Die Erfahrungen mit zwei Diktaturen impften ihm eine tiefe Abneigung gegen totalitäre Regime ein.
Was auf Gegenseitigkeit beruht. Ob Erdoğan oder Orbán, Chinas KP-Granden, Trump oder Putin: Sie alle stilisieren Soros gerne zur Hassfigur. Verschwörungstheoretiker verdächtigten ihn, die Migration nach Europa zu finanzieren. Was Ex-FPÖKlubobmann Johann Gudenus gar zur waghalsigen Wortschöpfung veranlasste, es gebe „stichhaltige Gerüchte“, dass Soros beteiligt sei.
Drittes Mal vertrieben
Dabei hatte Soros anfangs vor allem den Kommunismus bekämpft und Dissidenten in den Warschauer-Pakt-Staaten unterstützt. Der in Wien geborene Philosoph Karl Popper inspirierte ihn 1979 zur Gründung der „Open Society Foundation“in den USA, der 1984 eine in Ungarn folgte. Mit Milliarden-Beträgen förderte die Stiftung Demokratie, Menschenrechte und zivilgesellschaftliche Projekte in autokratischen Ländern.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nannte ihn Newsweek einen „Ein-MannMarshallplan“. Heute ist Soros primär der Buhmann von Rechtspopulisten. In Ungarn bestritt Premier Viktor Orbán – der einst selbst von Soros-Förderungen profitiert hatte – seinen Wahlkampf erfolgreich mit einer Anti-Soros-Kampagne. Antisemitische Begleittöne wurden dabei zumindest geduldet.
Diese Anlassgesetze führten auch dazu, dass die SorosStiftung und die 1991 gegründete CEU von Budapest nach Berlin bzw. Wien übersiedeln. CEU-Rektor Ignatieff warnte in Wien davor, Orbáns Wortwahl zu übernehmen. „So etwas wie eine illiberale Demokratie gibt es nicht. In Ungarn wird ein EinParteien-Staat zementiert.“Demokratie drohe abzusterben, wenn ihre Sprache missbraucht werde, um Undemokratisches als „Willen des Volkes, Willen der Mehrheit“zu rechtfertigen. Auch die Österreicher sollten das nicht als regionale Probleme Polens und Ungarns abtun. „Bedenken Sie, auch Ihre eigene Freiheit ist gefährdet, nicht die von irgendwem anderen.“
Wenige Skrupel
Zu seinem Reichtum kam Soros mit Gespür, unglaublicher Risikofreude. Undwenig Skrupeln: Mit spektakulären Wetten gegen das britische Pfund zwang er 1992 Großbritannien dazu, aus dem Wechselkurs-System – einem Vorläufer des Euro – auszutreten. Worin eine tiefere Ironie liegt – heute ist Soros ein leidenschaftlicher Verteidiger des Euro und der EU.
Zu den allerreichsten Menschen der Welt zählt Soros übrigens nicht mehr. Das Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf „nur“noch rund 8 Milliarden Dollar. Der Grund: Soros hat im Vorjahr 18 Milliarden Dollar an seine Open-Society-Stiftungen übertragen.