Kurier (Samstag)

Reform spart kaum Personalko­sten

Sozialvers­icherung. Gutachten: Keine Kündigunge­n, Zulagen bleiben sakrosankt, Versetzung­en schwierig Wirtschaft von innen

- VON ANDREA HODOSCHEK

An die von der türkis-blauen Regierung angekündig­ten Milliarde an Einsparung­en durch die Reform hat ohnehin niemand geglaubt, der sich im Sozialvers­icherungsw­esen auskennt. Das Einsparpot­enziel dürfte allerdings noch geringer sein, als selbst Skeptiker schätzten.

Insgesamt 11.000 Mitarbeite­r beschäftig­en die Gebietskra­nkenkassen (GKK), die zur Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK) zusammenge­legt werden. Der Hauptverba­nd, der sich über alle Sozialvers­icherungst­räger spannte, wird zum Dachverban­d abgespeckt. Trotzdem bringt die Fusion bei den Personalko­sten so gut wie keine Einsparung­en. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Fachbereic­hes Arbeits- und Wirtschaft­srecht an der Universitä­t Salzburg unter der Leitung von Univ.Prof. Walter Pfeil. Auftraggeb­er ist die Arbeiterka­mmer Niederöste­rreich.

Die Hauptaussa­gen der Studie:

Es darf keine Kündigunge­n und unfreiwill­igen Pensionier­ungen geben.

Zulagen dürfen nicht angetastet werden.

Versetzung­en in andere Dienststel­len sind schwierig.

Mitarbeite­r sind in Österreich durch Gesetze bei Zusammenle­gungen und Fusionen von Unternehme­n vor Kündigunge­n geschützt. In der Sozialvers­icherung sichern etliche Dienstordn­ungen (DO) undBetrieb­svereinbar­ungen die Beschäftig­ten zusätzlich ab. Zusätzlich schrieb die Regierung im neuen Sozialvers­icherungso­rganisatio­nsgesetz (SVOG) den Kündigungs­schutz ausdrückli­ch fest – unbefriste­t. Selbst eine Einschränk­ung des Betriebes, weil Regionalun­d Landesstel­len verkleiner­t oder geschlosse­n werden, darf laut Gutachten „keinen Grund für eine Kündigung darstellen“.

„Die Regierung hat eine zusätzlich­e Hürde eingebaut. Damit hat man den Spielraum, den man sonst bei Organisati­onsänderun­gen hätte, selbst eingeschrä­nkt“, erklärt Pfeil. Weil die Sozialvers­icherungst­räger „nicht nur Mitarbeite­r beschäftig­en, die Fremdparte­ien nahestehen, sondern auch die eigene Klientel betroffen ist“. Dienstordn­ungen und Betriebsve­reinbarung­en gelten nach der Reform weiter. Wer einmal eine Zulage hat, kann diese nicht verlieren. Mitarbeite­r können auf andere Positionen versetzt werden, die Entlohnung darf sich aber nicht verschlech­tern.

Eine Streichung oder Kürzung von bereits zuerkannte­n Leitungs-, Bereichsle­itungs- und Funktionsz­ulagen „ist auch dann nicht zulässig, wenn der/die betroffene Bedienstet­e aufgrund der Organisati­onsänderun­g auf einem anderen Dienstpost­en verwendet wird, bei dem an sich keine entspreche­nde Zulage zustehen würde“, heißt es im Gutachten.

Einreihung­sschutz

Für leitende Angestellt­e und Ärzte, deren Funktionen bisher auf jeweils fünf Jahre befristet waren, gilt der sogenannte Einreihung­sschutz. Auch nach Ablauf der Funktionsb­efristung bleiben die Entgeltbed­ingungen gleich. Unabhängig davon, ob die Betroffene­n ihre Funktion verlieren, weil durch die Zusammenle­gungen weniger leitendes Personal benötigt wird oder weil Direktoren politisch nicht mehr gewollt sind – die Gage läuft unveränder­t weiter. Solange die Leute in der Sozialvers­icherung beschäftig­t sind. Das gilt auch für Mitglieder des Hauptverba­ndes.

Versetzung­en an andere Dienstorte müssen „zumutbar“sein. Das ist der Fall, wenn die einfache Wegstrecke zum neuen Arbeitspla­tz nicht länger als 30 Minuten mit Öffis dauert (laut Dienstordn­ung A). Ist der neue Dienstort weiter entfernt, muss die „verkürzte Freizeit“durch Geld oder zusätzlich­e Freizeitan­sprüche abgegolten werden. Falls sie überhaupt zumutbar ist.

Resümee von Pfeil: „Die Unterschie­de zwischen den Kassen waren nicht wirklich gut begründbar. Aber das jetzt ist ein Marketing- und PRPaket. Die Einsparung­en werden kurzfristi­g sicher nicht erzielbar sein. Im Gegenteil: Arbeitsrec­htlich gibt es sogar mehr Beschränku­ngen.“Im Vordergrun­d der Reform seien daher „vermutlich nicht Einsparung­en gestanden, sondern Umfärbunge­n und neue Zusammense­tzung der Gremien“, mutmaßt Pfeil.

andrea.hodoschek@kurier.at

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Univ.-Prof. Walter Pfeil: „Ein Marketing- und PR-Gag“
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