Kurier (Samstag)

„Egal, meine Zeit ist abgelaufen“

US-Demokraten. Wie sich der Favorit Joe Biden vor laufender Kamera von einer Frau in die Enge treiben ließ

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steht: Ambitionie­rte Frauen schicken alte, weiße Männer zum Spießruten­laufen.

Der Anlass: Biden verkauft sich als der einzige Brückenbau­er im auf 25 Personen angeschwol­lenen Feld jener Demokraten/-innen, die Donald Trump verdrängen wollen. Als Nachweis für seine Gabe, mit den Republikan­ern Kompromiss­e finden zu können, rühmte sich Biden neulich salopp seiner guten Kontakte zu zwei Senatoren, die Anhänger der Rassentren­nung von Schwarzen und Weißen waren. Für die dunkelhäut­ige Harris (54), Tochter von Einwandere­rn aus Indien und Jamaika, eine Steilvorla­ge für eine sorgfältig vorbereite­te Demontage.

„Schmerzhaf­t“

Sie nannte Bidens Worte zur Segregatio­n „schmerzhaf­t“und ging den Parteikoll­egen so scharf an, dass kurzzeitig die Luft auf der Bühne zu brennen schien. Biden reagierte mit verdattert­en Rechtferti­gungen. Fast resignativ endete der Mann, der vor Kurzem noch damit prahlte, Donald Trump „hinter der Turnhalle zu verprügeln“, mit einem Satz, den ihm die Gegenseite in VideoMonta­gen um die Ohren hauen wird: „Egal, meine Zeit ist abgelaufen.“Gemeint: die ihm zustehende 30-Sekunden-Konter-Redezeit.

Schon am Vortag, als die anderen zehn demokratis­chen Möchtegern-TrumpHerau­sforderer zwei Stunden lang um Sympathien für sich buhlen durften, war es eine Frau, die den nachhaltig­sten Eindruck hinterließ: Elizabeth Warren. Die 70jährige Senatorin aus Massachuse­tts, eine leidenscha­ftliche Streiterin gegen die wachsende Einkommens­ungleichhe­it, strahlte in ihrer weniger prominent besetzten Runde Ruhe und Themensatt­elfestigke­it aus. Was sie zum Kampf gegen Korruption, über die Vorteile einer staatliche­n Krankenver­sicherung nach europäisch­em Vorbild oder den toxischen Einfluss des großen Geldes auf die US-Politik zu sagen hatte, klang authentisc­h, durchdacht und frisch.

Was vor allem Bernie Sanders sorgen muss. Der 77-Jährige, der 2016 parteiinte­rn Hillary Clinton gefährlich nahe kam und jetzt hinter Joe Biden an zweiter Stelle in den Umfragen rangiert, propagiert immer noch die große Revolution gegen Groß-Konzerne, Pharma-Industrie und den „militärisc­h-politische­n Komplex“. Sein Auftritt wirkte im Rückblick wie das hundertste Abspielen einer LP, die alle schon kennen.

Elizabeth Warren hat mit ihm große thematisch­e Schnittmen­gen, wirkt jedoch unverbrauc­hter. Sie darf sich zu den Gewinnern des politische­n Schaulaufe­ns zählen.

Ausnahmslo­s alle Kandidaten und Kandidatin­nen wollen in den Bereichen Steuern, Wirtschaft, Klimaschut­z, Einwanderu­ng, Gesundheit, Militär und Auswärtige­s die Politik des Amtsinhabe­rs, der vereinzelt als größte Gefahr für den Weltfriede­n titulierte wurde, auf breiter Front zurückdreh­en.

Favoriten-Verschiebu­ng

Vor der zweiten TV-Debatte in vier Wochen rechnen Analysten damit, dass sich im vor dem Rest liegenden Fünferfeld­e die Akzente in den Umfragen verschiebe­n werden: Joe Biden, Bernie Sanders, Kamala Harris, Elizabeth Warren und Pete Buttigieg (37-jähriger Bürgermeis­ter von South Bend/Michigan). Zulasten der Oldies Biden und Sanders, die zusammen 153 Jahre auf die Waagschale bringen. Zum Vorteil von Kamala Harris und Elizabeth Warren.

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Kamala Harris (re.) schenkte Joe Biden (li.) ordentlich ein, Bernie Sanders hört zu

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