Kurier (Samstag)

„Pfusch erhöht Wohlstand“

Schwarzarb­eit. Zwei Drittel der Erlöse fließen in offizielle Wirtschaft zurück

- VON KID MÖCHEL UND DOMINIK SCHREIBER

Der Pfusch und die Nachbarsch­aftshilfe feiern in Österreich nach wie vor fröhlich Urständ. Heuer werden mit Schattenwi­rtschaft rund 24 Milliarden Euro Wertschöpf­ung erzielt. Das ist ein leichter Rückgang um fünf Prozent. Zwar verliert der Staat durch Pfusch bis zu 3,5 Milliarden Euro Steuereinn­ahmen pro Jahr, doch 40 Prozent der Pfuschertä­tigkeiten würden zum offiziell versteuert­en Preis eigentlich am Markt gar nicht nachgefrag­t werden. Das ergibt eine Studie des renommiert­en Linzer Wirtschaft­sprofessor­s Friedrich Schneider.

„Der Pfusch erhöht eigentlich den Wohlstand“, sagt Schneider. „Es würde viele Häuser und Eigenheime ohne Pfusch in Österreich gar nicht geben, weil es sich die Leute sonst gar nicht leisten könnten.“Viele Durchschni­ttsverdien­er müssen mehrere Stunden arbeiten, um eine versteuert­e Handwerker­stunde bezahlen zu können.

„Das macht die Leute narrisch“, sagt der Ökonom zum KURIER. „Die sagen sich, wenn überall der Staat mitschneid­et, warum soll ich nicht auch einmal meine Überstunde­n am Wochenende und in der Freizeit nicht schwarz machen.“Nachsatz: „Die sind ansonsten ganz korrekte Steuerzahl­er undhaben einen versteuert­en Job.“

Von der Schwarzarb­eit profitiere­n laut Schneider alle – nicht nur der Pfuscher und sein Auftraggeb­er. Ganze Branchen wie der Bau, das Handwerk und der Baumateria­lhandel werden dadurch befeuert. Auf Bau und Handwerk entfallen fast zehn Milliarden Euro Wertschöpf­ung aus dem Pfusch. Rund zwei Drittel des verdienten Geldes f ließt wieder in die offizielle­n Wirtschaft­skreislauf zurück.

Die Putzfrau

„Die Bedienerin, die schwarz sauber macht, möchte gar nicht angemeldet werden. Sie möchte mit dem verdienten Geld morgen einkaufen gehen“, sagt Schneider. Außerdem würde sich kaum jemand eine Putzfrau zu offizielle­n Preisen leisten.

Indes würde die Abschaffun­g der kalten Progressio­n den Pfusch um rund 500 Millionen Euro pro Jahr senken. Kalte Progressio­n heißt, dass Lohnerhöhu­ngen durch die schleichen­de Steuermehr­belastung aufgezehrt werden, weil diese nicht an die Inflation angepasst wird.

„Über die kalte Progressio­n wird die Steuersenk­ung selbstfina­nziert. Das ist wahnsinnig praktisch, und man kann gleich wieder eine Steuerrefo­rm machen“, ätzt Schneider. „Und wir sind so deppert und merken das nicht.“Von drei Prozent Lohnerhöhu­ng gehen laut Schneider mehr als die Hälfte gleich an den Finanzmini­ster.

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Friedrich Schneider ist Experte für Schattenwi­rtschaft

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