Szenischer Totentanz der etwas anderen Art
Strauss’ „Salome“in München: Triumph für Kirill Petrenko, Marlis Petersen – szenisch fragwürdig.
Aus dem Nichts scheinen die Piani zu kommen, dann gibt es Steigerungen bis zu gewaltigen Klangexplosionen. Und durchgehend ist Hochspannung garantiert, denn es wird mit zugespitztem Expressionismus und schillernden, reichen Orchesterfarben aber auch transparent und dabei immer sängerfreundlich musiziert.
Wieder eine Glanzleistung des Bayrischen Staatsorchester unter Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, die bei der Neuproduktion von Strauss’ „Salome“zur Eröffnung der diesjährigen Münchner Opernfestspiele geboten wurde und das Publikum zu Recht jubeln ließ. Auch bei Marlis Petersen wurde gejubelt. Sie spielt die Titelheldin im roten Kleid, zigarettenrauchend, in High Heels herumstöckelnd nicht als unschuldige Kindsfrau, sondern großartig als selbstbewusste, wie auch trotzige und hysterische Prinzessin.
Auch ihr Gesang ist sehr expressiv. Sie fühlt sich bei den Lyrismen wohler als bei den dramatischen Stellen.
Gebrechlicher Prophet
Warum sie Johanaan begehrt, lässt sich nicht verstehen, denn er wird hier als alter gebrechlicher, herumschlurfender Mann gezeigt. Wolfgang Koch singt ihn mit schönem, durchschlagskräftigem Bariton. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist ein markanter und höhensicherer Herodes, Maria Schuster eine kraftvolle Herodias. Schön klingt der Tenor von Pavol Breslik als Narraboth. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt.
In eine Bibliothek in die 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts wird die archaische Geschichte verlegt. Man sieht eine Gruppe von Menschen in einfachen Kostümen, darunter Juden, die hofft, in diesem Versteck ihrer drohenden Verfolgung zu entgehen. Immer wieder bricht die Bibliothek mittig auf und gibt einen aseptischen, kühlen Raum preis (Austattung: Malgorzata Szczesniak).
Regisseur Krzysztof Warlikowski nähert sich den Figuren psychologisch und lotet ihre Emotionen aus. Alle werden als kaputte Typen gezeigt. Seine Personenführung ist ungemein durchdacht, detailliert undvongroßer Körperlichkeit geprägt.
Salomes Tanz findet nicht allein, sondern mit dem Tod (einem Tänzer mit Totenmaske) statt. Salome erhält keinen Kopf des Propheten, sondern nur die Schachtel mit der aufgedruckten Nummer des KZ, während dieser plötzlich wieder auftaucht. Auch Narraboth steht wieder auf und verteilt Gift an die Anwesenden, die kollektiven Selbstmord begehen, während Salome ungeschoren bleibt. Diese Ungereimtheiten quittierte das Publikum mit einem Buh-Orkan.