DER THIEM-TRAUM
Tennis-Star Dominic Thiem sorgt in Österreich für einen neuen Boom – vor allem bei Kindern. In Langenlois etwa herrscht derzeit große Begeisterung. Eine Initiative lockt jede Woche die halbe Stadt auf die Sandplätze: der „Matchkaiser“.
Auf dem Tennisplatz in Langenlois geht es zu wie auf dem Pausenhof einer Volksschule. 50 Kinder laufen, springen, jubeln. Sie lachen, als hätten sie das schönste Erlebnis aller Zeiten – und das ganz ohne Playstation und YouTubeChannels. Die Idee dahinter ist einfach wie
gut: Jeder spielt Match, wer gerade keinen Platz hat, geht Fußballspielen. Sie werden von Trainern angeleitet, unentgeltlich. Matthias Winninger hat die Initiative „Matchkaiser“ins Leben gerufen, der gebürtige Amstettner war selbst sehr guter Ranglistenspieler und will dieses Feuer an die nächste Generation weitergeben – auch an seine Kinder Sara und Noah. Doch auch wenige Kilometer entfernt, in Krems, trainieren so viele Kinder wie schon lange nicht. Sie sind oft morgens die Ersten und bei Sonnenuntergang die Letzten auf der Anlage, bevor sie unmittelbar danach zu Bett müssen. Im Lokalderby der beiden Klubs müssen die Kinder nicht nur am etwas verkleinerten Platz Tennis spielen sondern auch Ball weitwerfen, kurze und lange Sprints hinlegen, Geschicklichkeitsübungen machen und Weitspringen. Langenlois und Krems sind keine Einzelfälle. „Obwohl ich mit Superlativen vorsichtig bin, traue ich mich von einem Tennis-Boom zu sprechen“, sagt Österreichs Tennis-Legende Alexander Antonitsch. „Natürlich ist es Dominic Thiem, der diesen Hype entfacht hat. Das war so wie beim ersten Boom in den Neunziger-Jahren, der mit den DaviscupSiegen Österreichs und Thomas Musters Aufstieg begonnen hat.“Auch damals ließen sich hunderte Kinder neu in Tennisklubs im ganzen Land einschreiben. Antonitsch sorgt sich mittlerweile sogar, „dass es einen Engpass an ausgebildeten Trainern gibt, so groß ist die Nachfrage.“Der Boom bedeutet aber nicht, dass Österreich in zehn Jahren einen Thiem-Nachfolger in der Weltspitze hat. „Nun müsste man aus den vielen begeisterten Kids Wettkampfspieler machen“, so Antonitsch. Denn den Weg zur Spitze schaffen nur sehr wenige. Auch Dominic Thiem wurde nicht als Star geboren.
Er nahm mit seinem Coach Günther Bresnik und sportlich wie finanziell unterstützt von seinen Eltern die Ochsentour auf sich. Er spielte alle Jugendbewerbe, Einsteiger-Turniere für Neo-Profis, tauchte schwierige Phasen durch. „Wenn jemand ein internationales Turnier gewinnt, bekommt er 2.000 Euro, da ist jede Reise mit Trainer selbst bei einem Sieg ein Verlustgeschäft“, erzählt ein Insider. In der Generation nach Thiem klafft tatsächlich eine Lücke. Auf der ITF-Weltrangliste der Unter-18-Jährigen ist derzeit kein Österreicher unter den besten 100. Aber wer wie Thiem den Durchbruch schafft, ist nicht nur Superstar, sondern auch Ikone. Auf Instagram zählt er 752.000 Fans. Sie verfolgen die Karriere auf Schritt und Tritt: die Trainings, die Siege, den privaten Dominic in Badeshorts auf Mykonos. Sie nehmen damit am Erfolg, an der Karriere eines echten Vorbilds teil und eifern diesem nach. Das ist auch in Langenlois und Krems angekommen: Sie schauen ihm im TV zu, sie ballen die Faust und stöhnen beim Schlag wie er. Und viele schwören auf ein Schlägermodell: das von Dominic Thiem natürlich.