Start der KURIER-Serie: Das digitale Österreich
Wie beeinflusst Digitalisierung unser Leben?
Hinter den Kulissen. In einer neuen Dokumentationsreihe beleuchtet der KURIER den digitalen Alltag in der österreichischen Wirtschaft. Zum Start erzählt Porr-Chef Karl-Heinz Strauss, wie smart Baustellen heutzutage schon sind.
Thomas Riegler, Digitalisierungsexperte bei PricewaterhouseCoopers, ist im KURIER-Gespräch überzeugt, dass gewisse menschliche Arbeiten, wie das Umbetten von Patienten in Krankenhäusern, schon in naher Zukunft von Robotern übernommen werden.
Ebenfalls im Exklusivgespräch analysieren A1-Chef Thomas Arnoldner und Unternehmer Hans-Peter Ressel, wie sich Europa bei Innovationen von Asien unterscheidet.
Eine Walze, die plötzlich mit 100 km/h Richtung Budapest unterwegs ist, hat keinen Supertreibstoff intus. Sie steht huckepack auf einem Lkw und wurde von einer Baustelle gestohlen. „Wenn wir das im Computer sehen, haben wir die Walze bald wieder“, erzählt Porr-Boss und -Miteigentümer Karl-Heinz Strauss. 19 Geräte sind der Porr in jüngerer Vergangenheit gestohlen worden, alle sind wieder da. „Ich hoffe, es hat sich jetzt herumgesprochen, dass es keinen Sinn hat, unsere Geräte zu stehlen“, sagt Strauss lachend.
Telematik
So geht also Digitalisierung am Bau. Der Porr-Fuhrpark ist teilweise mit einem Telematik-System ausgerüstet. „Da ist die Porr die einzige Firma in Europa“, erzählt Strauss nicht ohne Stolz. Vom Muldenkipper über den Asphaltfertiger bis zum Lkw – die Daten der Geräte werden laufend ins Porr-System gemeldet.
Fährt der Bagger mit Volllast? Wie viele Stunden hat er schon auf dem Buckel? Wann sind Service oder Reparaturen fällig? „Das alles funktioniert ohne Papier. Das ist wirklich etwas, wo wir weit vorne sind“.
Für die Vernetzung hat die Porr eine Kooperation mit A1 abgeschlossen. GPS für relevante Teile des Fuhrparks gehört dazu. Zur Schutzausrüstung der Arbeiter gehören mittlerweile Helme, die mit GPS und einem Notknopf ausgestattet sind. „Etwa im Tunnelbau, wenn Leute verschüttet werden. Oder auf Baustellen in den Bergen.“Dieser Notknopf „ist zum Beispiel mit dem Roten Kreuz vernetzt. Die haben Drohnen, mit denen können sie auch Blutkonserven transportieren“. Mit 5G werden „die hochenergetischen Netzwerke noch viel mehr werden“, ist Strauss überzeugt. Und dass die Poliere mit einer eigenen Wetter-App ausgestattet sind, ist beinahe schon selbstverständlich.
Punktgenau
Am Bau kann es aber auch smart zugehen. Ein Beispiel. „Die Fenster für den 19. Stock sind im vierten Quartal zu liefern.“So lautet ein Mail der Porr an einen der Lieferanten. Mit jedem weiteren Mail wird der Zeitpunkt immer exakter. Bis dann feststeht: Am 14. November um 14 Uhr haben die Fenster auf einem klar definierten Punkt der Baustelle zu sein. „Weil dann der Kran das Pack’l holt“, so Strauss.
Im Grunde werde sich Bauen zwar nicht ändern, meint er. „Die Materialien sind da, die sind erfunden.“Bei der Art und Weise, wie gebaut wird, werde es allerdings einen Digitalisierungsschub geben. „Das ist wie bei einem Auto auf dem Fließband, da wird auf den Punkt geliefert. So ähnlich wird das bei Gebäuden sein“, schwärmt Strauss von planbaren Logistikketten.
Ausbildung
Je mehr Technik, desto mehr Wissen ist nötig. Die Porr hat daher in einen eigenen Ausbildungscampus in WienSimmering investiert. Dort bekommen die Porr-Lehrlinge „zum dualen System das triale System dazu, also Technik extra“. Aber auch Gerätefahrer werden hier geschult. „Der Gerätefahrer, der vor fünf Jahren mit der Walze gefahren ist, fährt zwar auch heute damit“, sagt Strauss. Ohne Schulung könnte er aber nicht ausnutzen, was die Walze heutzutage alles kann – etwa effizienter arbeiten und weniger Sprit verbrauchen.
3-D-Modelle
Aus dem Plan, der Bauherren früher vorgelegt wurde, ist ein 3-D-Modell geworden, in das sämtliche Informationen einfließen. Das betrifft die verwendeten Materialien genauso wie etwa die Haustechnik. Die Modelldaten werden in die Kalkulation übernommen. Lean Construction ist das neumodische Wort dafür, alle sind eingebunden. „Früher hatten wir lauter Post-its, wir waren die Werbeagentur für 3M“, denkt Strauss zurück.
Heute landet alles im Computer. Die Porr habe schon mehr als 1,5 Millionen Quadratmeter digital geplant und gebaut. Ein Beispiel dafür ist ein 75.000 Quadratmeter großer Bürokomplex für BMW in München. Die Planung war nach sieben Monaten abgeschlossen, der Bau war nach 13 Monaten fertig. „Und wir sind unter Budget fertig geworden“, betont Strauss.
Kann die Digitalisierung Horror-Baustellen wie den Flughafen Berlin verhindern? „Ja, aber“, meint Strauss. „Berlin ist ein Totalschaden. Wegschieben und neu bauen. Die Porr wäre schon längst fertig.“Der Flughafen Berlin sei ein unseliges Modell dafür, Großprojekte in Teilen auszuschreiben und immer den Billigsten zu nehmen. „Da hat man nie Projektpartner. Je früher die Baufirma eingebunden ist, desto eher werden Wünsche und Budget getroffen.“Bei der Elb-Philharmonie in Hamburg habe man etwa genau gewusst, „um das Geld kann man das nicht bauen“.
Als Beispiel dafür, wie es auf Großbaustellen auch gut klappen kann, nennt der Porr-Chef den Hauptbahnhof in Wien, der eine Zeit lang die größte Baustelle Europas war. Gebaut wurde „in der Zeit und im Budget“.
Gelungen ist das durch die Digitalisierung, aber auch durch „kundige Bauherren, die entschieden haben“. Die Bauherren von heute können durch ihr Gebäude spazieren, obwohl es noch gar nicht existiert. Mittels Bildschirm oder Virtual-Reality-Brille. „Der Kunde kann sich vom Keller bis zum Dach alles anschauen und sagen, ob es das ist, was er wirklich will“, so der zuständige PorrAbteilungsleiter Clemens Neubauer. Das, was gebaut werden soll, könne so als digitaler Zwilling im Vorfeld erlebbar gemacht werden. So können Entscheidungen schneller fallen.
Der Baufirma selbst seien die 3-D-Modelle auch deshalb wichtig, weil dadurch festgestellt werden kann, „ob sich die Haustechnik überhaupt ausgeht“oder ob Rohre im Nichts enden.
Die Leute auf der Baustelle hätten „dann Modelle zur Verfügung, wo man nicht unbedingt jeden Schatten sehen muss“. Da gehe es um die technischen Inhalte. „Da möchte ich auf diese Bodenplatte draufklicken und möchte wissen, wie viel Beton ich dort verbauen muss. Wie viel Beton brauche ich angeliefert, wie lange ist für die Aushärtung zu planen“, erzählt Neubauer von den praktischen Anwendungen.
Drohnen
Zur digitalen Revolution am Bau gehört auch der Einsatz von Drohnen. Etwa, um sich ein Bild von Baugruben zu machen. Neubauer: „Das Wichtige ist, dass die riesengroßen Datenmengen für kleine Endgeräte wie Handys oder Tablets weiterverarbeitet werden.“
Drohnen sind auch wichtig, wenn es um die Revitalisierung von Straßen geht. Da seien die ursprünglichen Pläne oft schon 30 bis 40 Jahre alt. Mit Drohnen könne man den Istzustand der Straße und der Umgebung schnell erfassen.
Die Sprache auf den Tablets auf Baustellen im Ausland ist übrigens die jeweilige Landessprache. „Bauen ist einfach ein lokales Geschäft“, so Konzernboss Karl-Heinz Strauss.