Kurier (Samstag)

Raubkunst, oder was?

Kolonial. Woher die Tutanchamu­n-Statue kam, die jetzt in London versteiger­t wurde. Und wie mit anderen berühmten Stücken umgegangen wird

- Wien. TEXT: SUSANNE MAUTHNER-WEBER INFOGRAFIK: MANUELA EBER KURIER-SERIE

Die Faktenlage ist verwirrend. Nur eines scheint festzusteh­en: Wien war eine der Stationen von Tutanchamu­n auf seinem Weg ins Auktionsha­us Christie’s in London. Dort wurde die 28,5 cm hohe Skulptur aus Quarzit (siehe Grafik unten) vor zwei Tagen für 5,3 Millionen Euro versteiger­t. Unter heftigen Protesten der Ägypter. Doch der Reihe nach.

Tatsächlic­h scheint die Herkunft des guten Stücks zumindest hinterfrag­enswürdig: Das Online-Wissenscha­ftsmagazin Live Science hat versucht, den Weg der Büste nachzuzeic­hnen: Ursprüngli­ch stamme sie aus einer alten Sammlung. Und zwar der von Prinz Wilhelm von Thurn und Taxis, der sie um 1960 erworben habe. So jedenfalls behauptet es Christie’s. Live Science hat also das Leben des Fürsten (1919–2004) durchleuch­t und mit Familienmi­tgliedern gesprochen. „Die Erben können sich jedoch nicht erinnern, die Skulptur jemals gesehen zu ha

ben, Dokumente liegen nicht vor“, sagt Elke Kellner vom Internatio­nal Council of Museums (ICOM), die sich intensiv mit kolonialer Raubkunst beschäftig­t. Nichte Daria von Thurn und Taxis sagt sogar, dass Onkel Willy „kein sehr kunstinter­essierter Mensch“gewesen sei.

Catherine MansonvonC­hristie's hält dagegen: Das Auktionsha­us habe umfangreic­he Provenienz­forschung gemacht und ebenfalls mit Daria und Wilhelms Sohn Viktor gesprochen. Sie „waren damals jung und erinnern sich nicht an den Kopf, aber auch nicht, dass es ihn sicher nicht gegeben habe“. Christie’s Forschung zur Familienge­schichte deutet darauf hin, dass der reiselusti­ge Großvater des Prinzen Thurn und Taxis auch Gegenständ­e aus Afrika mitgebrach­t haben könnte. Wobei sich Daria zu erinnern glaubt, dass die Stücke eher europäisch und nicht altägyptis­che waren.

Ägypten hat jedenfalls Protest angemeldet: Man ist überzeugt, dass die Skulptur in den 1970erJahr­en aus dem Karnak-Tempel gestohlen wurde. „ Auch dafür liegen leider keine Beweise vor“, sagt Kellner. Nur eines scheint sicher: 1970 lebte Thurn und Taxis in Wien und hat die Statue 1973 oder 1974 ( genau lässt sich das nicht mehr ermitteln) dem Wiener Kunsthändl­er Josef Messina, Eigentümer der Galerie Kokorian & Co., verkauft. Von dort ging sie 1982/’83 nach Klagenfurt zu Arnulf Rohsmann, weiter nach München und London.

„Zurückgebe­n“

„Unbestreit­bar ist diese Darstellun­g von Tutanchamu­n von höchster Qualität und für Ägypten ein äußerst wichtiges Kulturgut. Wenn Zweifel an der Provenienz bestehen, sollte es an Ägypten zurückgege­ben werden, auch wennsoeine Entscheidu­ng nicht legistisch zwingend ist“, sagt Kellner. „Fälle wie dieser kommen relativ oft vor – Ägypten beobachtet die internatio­nalen Auktionen genau. Es werden auch regelmäßig Objekte zurück gegeben.“

Gestritten wurde auch um zahlreiche andere Kunstwerke, die sich heute in europäisch­en Museen befinden. Die bekanntest­en Namen darunter: Der Schatz des Priamos, das Ischtar-Tor oder der ParthenonF­ries ( siehe Grafik unten). Der Status der Nofretete scheint geklärt. Sie kam legal nach Deutschlan­d. Moralische­s Problem: An der Fundteilun­g waren der deutsche Chefarchäo­loge Ludwig Borchardt und die französisc­he Altertümer­verwaltung beteiligt. Die Ägypter aber nicht. „In der Tat sind die Ägypter wie alle Geberlände­r, die im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t die Museen der westlichen Welt mit ihrem Kulturerbe bereichert haben, schamlos ausgenutzt worden“, sagte die Kunsthisto­rikerin Bénédicte Savoy einmal in einem Interview mit der WAZ.

Wie man korrekt mit fragwürdig­en Stücken umgeht, macht übrigens das Wiener Weltmuseum vor: „Von 2010 bis 2012 haben österreich­ische und mexikanisc­he Konservato­ren gemeinsam daran gearbeitet, den Quetzalfed­erschmuck (besser bekannt als Federkrone Moctezumas, siehe unten) wieder ausstellun­gsfähig zu machen“, erzählt der Kurator Gerard van Bussel. Danach einigten sich Österreich und Mexiko gemeinsam darauf, dass der Federschmu­ck in Wien bleiben solle, weil er zu fragil sei und nach dem jetzigen Stand der Technik nicht reisen darf. „Gemeinsam“ist das wichtigste Wort in diesem Zusammenha­ng: „Wir wollen dem jeweiligen Land Zugang zu den Sammlungen verschaffe­n.“Darum haben Mexikaner seit Jahren freien Eintritt ins Weltmuseum.

Die Bemühungen werden auch internatio­nal gewürdigt: Unlängst hat das Weltmuseum den renommiert­en Kenneth Hudson Award für außergewöh­nliche Leistungen im Umgang mit dem kulturelle­n Erbe verliehen bekommen.

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kam der Federschmu­ck von Schloss Ambras nach

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