Zinsen schmelzen noch weiter
Prognose. Analysten der Raiffeisen Centrobank erwarten Zinssenkung im Herbst
Es ist für Österreichs Sparer kaum zu glauben, aber wahr: Die Zinsen, die jetzt schon nahe Null liegen, werden noch weiter fallen. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte nach Einschätzung der Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) im September den Einlagezinssatz für Banken, der schon bei minus 0,4 Prozent liegt, auf minus 0,6 Prozent senken. Das wird sich wohl auch auf die Sparer auswirken. Ob auch sie wie jetzt schon Großanleger fürs Geldanlegen zahlen müssen, steht noch nicht fest.
Billiger wird es aber auch für die Kreditnehmer. „Das ist, was die EZB mit der Zinssenkung bezwecken will. Kredite sollen noch billiger werden, um die Konjunktur anzukurbeln“, sagt Gunter Deuber, Raiffeisen-Volkswirt. Aber natürlich werde der Zinsschritt auch die Anleihen betreffen. Schon jetzt haben deutsche, niederländische, österreichische und dänische langlaufende Anleihen Negativzinsen, die deutschen sogar bis ins Jahr 2036 und damit länger als die japanischen Staatsanleihen, die mit Negativzinsen derzeit bis 2032 laufen. „Wir haben uns lange vor japanischen Verhältnissen gefürchtet, aber wir haben sie schon“, sagt RCB-Analyst Bernd Maurer. Das Beunruhigendste an der Prognose: Die Zinsen werden lange negativ bleiben.
Aber damit nicht genug: Die EZB werde auch die Anleihenkäufe wieder aufnehmen. Ende des Jahres schon könnte es so weit sein: Die EZB könnte Anleihen europäischer Staaten im Volumen von etwa 30 Milliarden Euro monatlich erwerben, lautet die Prognose der Raiffeisen-Experten. Damit wolle die EZB die Inflationsrate antreiben. Denn entgegen den Erwartungen strebt die Teuerung im Euroraum nicht in Richtung der gewünschten zwei Prozent, sondern fällt seit einigen Monaten wieder.
Gut für Aktionäre
Die Erwartung weiter sinkender Zinsen hat die Aktienmärkte schon im ersten Halbjahr 2019 beflügelt. „Vielleicht etwas zu viel“, meint Maurer, der Anleger eher zur Vorsicht mahnt. Es habe eine gewisse Übertreibung an den Börsen gegeben, in den nächsten Monaten könnte es zu Kursverlusten kommen – vor allem dann, wenn die USNotenbank nicht wie von Börsianern prognostiziert noch im Juli die Zinsen senkt.
Kursverluste dürften aber nur ein kurzes Interregnum im generell positiven Aktienmarkt bleiben. „Es gibt für Anleger eben keine Alternative zu Aktien, solange es keine Zinsen gibt“, erklärt Maurer.
An der Wiener Börse hat er aktuell vier Kaufempfehlungen: Agrana, weil der Zuckerpreis steigt; EVN, weil Strom tendenziell teurer wird; Mayr-Melnhof, weil der Kartonerzeuger vor allem konjunktursichere Branchen wie die Lebensmittelindustrie als Kunden hat; und die Post, weil sie hohe Dividenden bringt.