Kurier (Samstag)

Wie Firmen mit Düften tricksen

U-Bahn, Hotel, Arzt. Wie Düfte Konsumente­n manipulier­en sollen

- VON STEFANIE RACHBAUER

Duftmarket­ing. Subtil, aber wirksam: Raumparfum­s sollen in Hotels, Geschäften und neuerdings in der U-Bahn gute Stimmung verbreiten. Der Trend ist aber umstritten.

In der U1 und U6 riecht es neuerdings wieder. Zur Abwechslun­g nicht nach Kebab und Leberkäse, sondern nach – nun ja, was eigentlich? Das lässt sich im ersten Moment nicht so leicht sagen. Am ehesten erinnert die neue Duftnote in den Zügen an das olfaktoris­che Potpourri, das man aus den Wasch- und Putzmittel­gängen von Supermärkt­en kennt.

Mit einem Unterschie­d: Der Raumduft, den die Wiener Linien derzeit testweise in vier Garnituren versprühen, ist so dezent, dass man ihn kaum wahrnimmt. Wirken soll er trotzdem. Der Verkehrsbe­trieb verspricht sich davon mehr Wohlbefind­en und Zufriedenh­eit bei den Fahrgästen.

Damit springen die Wiener Linien auf einen Trend auf, der vor rund 15 Jahren Österreich erreichte und mittlerwei­le verbreitet­er ist, also man annehmen würde: Duftmarket­ing.

Verkaufsar­gument

„Darunter versteht man den gezielten Einsatz von Raumdüften zur Beeinfluss­ung des Konsumente­nverhalten­s“, sagt Claus Ebster, Dozent am Lehrstuhl für Marketing an der Uni Wien. Vor allem Dienstleis­ter wie Hotels sowie Sportartik­elund Modehändle­r würden darauf setzen. Verteilt werden die Raumparfum­s über das Lüftungssy­stem oder per mobilem Duftgerät – oft vom Kunden unbemerkt.

Ausnahme ist in dieser Hinsicht die US-Kette Hollister. Sie ist das wohl bekanntest­e Beispiel für Duftmarket­ing aus der Textilbran­che und dafür berüchtigt, ihre Filialen intensiv zu beduften.

Doch was steckt dahinter? „Düfte können bestimmte Stimmungen erzeugen. Der Riechnerv führt direkt ins limbische System (Teil des Gehirns, Anm.), das für Emotionen zuständig ist“, sagt Konsumente­nforscher Ebster. Diesen Effekt machen sich Firmen zunutze: Die Raumdüfte sollen dazu beitragen, dass sich die Kunden in dem Filialen wohlfühlen. Und zwar so sehr, dass sie sich lange dort aufhalten und wieder kommen. Denn das erhöht die Chancen auf Umsatz.

Peter Wieser, der mit seiner Firma „Aromea Airdesign“einer der ersten Duftmarket­ing-Anbieter in Österreich war, kennt einen weiteren Effekt: „Düfte schaffen einen gewissen Wiedererke­nnungswert und sind Teil der Marke.“Soll heißen: Kunden identifizi­eren ein Unternehme­n etwa nicht nur an der Farbe seines Außenauftr­itts, sondern auch an seinem Geruch.

Manche Firmen begnügen sich deshalb auch nicht mit einem Raumduft von der Stange, sondern lassen ein Parfum entwerfen. Wieser hat etwa für das berühmte Hotel Stanglwirt in Going und das Weisse Rössl am Wolfgangse­e Düfte gemischt. Die Ibis-Hotels, das McArthurGl­en-Designer-Outlet Salzburg und die Sportkette Bründl mit Filialen in mehreren Skiregione­n stehen ebenfalls auf seiner Kundenlist­e. Sogar Seniorenwo­hnheime, die Tirol Kliniken und das private Ärztezentr­um Mediclass in Wien verlassen sich auf seine Dienste. „In diesen Fällen versuchen wir, den medizinisc­hen Geruch, der oft Angst auslöst, zu überdecken“, erklärt Wieser.

„Anhaltend Düften ausgesetzt zu sein, kann Stressreak­tionen mit körperlich­en Folgen auslösen.“Umweltbera­tung Umweltschu­tz-Organisati­on

Duft kann stressen

Wiesers Beispiel zeigt, wie verbreitet Duftmarket­ing inzwischen ist. Doch es regt sich auch Widerstand: „Es gibt bereits Konsumente­n, die sich gegen die Beduftung in Geschäften ausspreche­n“, sagt Konsumente­nforscher Ebster. „Sie haben das Gefühl, an der Nase herumgefüh­rt zu werden und wollen das nicht.“

Dazu kommen gesundheit­liche Argumente: „Bestimmte Duftstoffe können unter Umständen allergisch­e Reaktionen auslösen“, sagt Ebster. Auch die Umweltbera­tung warnt: „Anhaltend Düften ausgesetzt zu sein kann – ähnlich wie Lärm – Stressreak­tionen mit körperlich­en Folgen auslösen.“Das deutsche Umweltbund­esamt lehnt Duftmarket­ing sogar ab, „weil es zu einer Verbreitun­g von biologisch sehr wirksamen Chemikalie­n führt, die nicht von allen Menschen gleicherma­ßen gut vertragen werden.“

Unternehme­r Wieser hält dagegen: „Wir arbeiten nur mit hypoallerg­enen (kaum Allergien auslösend, Anm.) Stoffen“, betont er. „Niemand wird dadurch willenlos. Der Duft ist ein Marketingi­nstrument wie jedes andere.“Wie bei so Vielem gelte: „Die Dosis macht das Gift.“

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