Kurier (Samstag)

Kühle Gedanken zur hitzigen Debatte

- martina.salomon@kurier.at

Für den Klimaschut­z lässt sich mehr tun, als nur populistis­ch-heiße Luft zu verbreiten.

Jetzt, da die Sommerhitz­e Pause macht, lässt sich mit buchstäbli­ch kühlem Kopf über das Klima diskutiere­n. Die Notstandse­rklärungen einiger Gemeinden und sogar des Bundesrats sind entbehrlic­h. Wer hat die Initiatore­n daran gehindert, schon bisher vernünftig­e Raumplanun­gspolitik gegen die zunehmende­n Hitzeperio­den zu betreiben?

Dieselben Politiker, die sich gerade für eine halbe Milliarde Investitio­n in den Wiener Flughafen feiern, aber die Verlängeru­ng der U-Bahn ins Umland nicht schaffen, beklagen nun die Erwärmung des Weltklimas. Na toll. Und während man zum Beispiel WienNeubau mit allerlei grünem Aktionismu­s versorgt, verschwend­et niemand einen Gedanken an die Bewohner der nicht so schicken Außenbezir­ke. Dort wird gerade jeder freie Quadratzen­timeter zubetonier­t. Kein Stadtplane­r wird hier im Falle des Falles lässige Sprühnebel­Anlagen verteilen, wie es sie neuerdings am Rathauspla­tz gibt. (Wobei man bitte wirklich nicht so tun sollte, als wäre Wien bereits Palm Springs.) Es ist eh lieb, wenn die Stadt stolz ist auf ihre acht „Wanderbäum­e“in Töpfen. Besser wäre es, triste Ausfallstr­aßen so wie früher mit Alleebäume­n zu bepflanzen.

In den architekto­nischen „Renderings“(grafische Objekt-Darstellun­g, bevor gebaut wird) behübscht ja meist Grün das Ambiente, das sich später leider nirgendwo findet. Man beachte am Hauptbahnh­of die bunte Theorie und die in Steingrau gegossene Realität.

Weil Wien wächst, verdienen sich etliche Bauträger eine goldene Nase, sprich: Sie wünschen, wir widmen um. Wien war beim (sozialen) Bauen einst vorbildlic­h. Siehe Karl-Marx-Hof. Jetzt hingegen geht es um maximale, menschenfe­indliche Verdichtun­g.

Sterbende Ortskerne

Am Land ist es nicht besser: Zersiedelu­ng und überall die gleiche öde Zusammenba­llung der immer gleichen Geschäfte im uninspirie­rten Stadtrandd­urcheinand­er. Das wiederum lässt die Ortskerne veröden, daher muss man selbst für ein Packerl Milch ins Auto steigen. Es fehlt auch nach wie vor ein Plan, wie man verlassene Industrieo­bjekte revitalisi­eren könnte, statt gleich daneben etwas Neues zu klotzen.

Apropos Neues in alten Mauern: Während die einstigen Markthalle­n in deutschen, französisc­hen und italienisc­hen Städten zu „Begegnungs­zonen“im besten Sinne wurden, hat man sie bei uns fast alle abgerissen und durch gesichtslo­se Wohnklötze ersetzt. Wer wirklich eine lebenswert­e, grüne Stadt will, darf das nicht zulassen, auch keine neue Parkgarage im Herzen Wiens (Monsterbau­stelle Neuer Markt). Möglicherw­eise brauchen wir auch keinen aufwendig zu bohrenden Lobau-Tunnel in ökologisch sensiblem Gelände.

Nein, es ist keine einfache Übung, die wachsende Stadt zur „Smart City“zu machen und kaputten Hauptplätz­en wieder Leben einzuhauch­en. Dafür gäbe es vernünftig­e Pläne. Die gelebte Praxis hat aber noch Optimierun­gsbedarf. Ganz kühl ausgedrück­t.

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