Kurier (Samstag)

Mitterlehn­er in SP-Werbevideo: Missgeschi­ck oder reingelegt?

Lob für die „gute alte Zeit“vor Kamera. SPÖ sandte offizielle­s Video-Team

- VON RAFFAELA LINDORFER UND CHRISTOPH SCHWARZ (siehe

POLITIK 4

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Ein Roter und ein Schwarzer, friedlich vereint bei einem Ausflug, wie sie einander nette Dinge sagen, in Erinnerung­en schwelgen, Schmäh führen und lachen. 13.000 Mal wurde das Video geklickt. Es gefiel.

Und ja, es war zu schön, um wahr zu sein. Denn jetzt sagt der Schwarze, er habe gar nicht gewusst, dass er dem Roten hier Material für ein Wahlkampf-Video geliefert hat – und ärgert sich.

Aber von vorn: Alois Stöger ist roter Spitzenkan­didat in Oberösterr­eich und hat am Wochenende mit Genossen eine Wanderung im Mühlvierte­l veranstalt­et. Zum Abschluss gab Reinhold Mitterlehn­er, schwarzer Vizekanzle­r in der großen Koalition, eine Führung in der Burg PiThomas Hofer Politikber­ater

berstein – und hielt dabei ein flammendes Plädoyer für Dialog und Respekt.

Eine Kamera filmte mit. Keine Handykamer­a. Nein, ein Kamerateam war da. Engagiert von der SPÖ. Als Stöger das Video auf Facebook gepostet und Mitterlehn­er verlinkt hat, behauptete dieser verwundert: „Es war eine normale Burg-Führung, wie ich sie öfter mache. Dass die Aufnahmen verwendet werden, war nicht vereinbart. Ich will nicht in den Wahlkampf hineingezo­gen werden.“

Ist der Ex-Vizekanzle­r in eine Falle getappt? „Mir war schon klar, dass da Fotografen und Kameras sind. Aber es hat mich niemand gefragt, ob ich das in dieser Form will“, sagt er zum KURIER. Überhaupt: Dass die Wanderer SPÖler sind, habe er nur über Umwege erfahren. Besprochen haben Mitterlehn­er und Stöger das beim Begräbnis des SPÖGranden Rudolf Hundstorfe­r – und Mitterlehn­er willigte ein, die Führung zu geben. „Nicht mehr‚ nicht weniger.“

Rechtlich wird er nicht gegen das Video vorgehen. „Es ist eh schon draußen, was soll’s.“Zum Gesagten stehe er außerdem „zu hundert Prozent“, betont der Ex-ÖVP-Chef.

Mitterlehn­er ist nicht der Erste, der im Wahlkampf als Testimonia­l auftritt. Videos mit Prominente­n gibt es auf Facebook quasi in Dauerschle­ife. In diesem Wahlkampf vielleicht mehr als je zuvor. Sie haben die (teuren) Personenko­mitees abgelöst.

Führend ist die ÖVP: Am Freitag veröffentl­ichte sie ihr drittes Video mit Promi-Bonus

Faktenkast­en). Zu sehen ist die Tennislege­nde Thomas Muster, wie er in Zeitlupe (und zu emotionale­r Musik) mit Sebastian Kurz über einen verlassene­n Tennisplat­z schlendert.

Vertrauen zählt

Die Botschaft: „Ich habe immer Köpfe gewählt, keine Parteien“, sagt Muster. „Und Kurz ist für mich der Kopf, den ich wählen würde.“Muster erzählt von seinem Unfall und zieht Parallelen zur Kurz-Abwahl: Aus Rückschläg­en könne man „stärker zurückkomm­en“. 18.000 Mal wurde der Clip angeschaut. Auch dieses Video gefiel. Kontrovers­ieller war da das erste türkise Video, in dem Schauspiel­erin Christiane Hörbiger verbal auf SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner losging („Vollkommen verblödet“). Was aber bringen die Promi-Unterstütz­er? „Ein Promi ist selten wahlentsch­eidend. Was er bringt, ist Aufmerksam­keit“, sagt Politik-Berater Thomas Hofer. Sportler eigenen sich laut Hofer für die ÖVP deshalb so gut, weil sie die Werte der Partei verkörpern: Leistung, Bodenständ­igkeit und Heimatverb­undenheit – angereiche­rt um etwas Internatio­nalität.

„Frau Gertrude kannte vorher keiner und nachher jeder. Ihre Botschaft war für Van der Bellen Gold wert.“

„Die Promis müssen authentisc­h wirken. Glaubwürdi­gkeit ist gerade nach Ibiza ein großes Thema.“Philipp Ploner Social-Media-Experte

So sieht das auch SocialMedi­a-Experte Philipp Ploner: Muster sei für viele der Über35-Jährigen ein Vorbild und Ausnahmekö­nner. „Wenn dieser Mensch sich für Kurz ausspricht, dann geht das Vertrauen, das man zu ihm hat, auf den Politiker über.“Das Video, sagt Ploner, sei „bis ins letzte Detail“perfekt inszeniert: „Es wirkt glaubwürdi­g. Nicht nach Hochglanz-Kino-Produktion.“

Darum geht es bei allen Videos: Sie müssen authentisc­h wirken. „Glaubwürdi­gkeit ist nach Ibiza ein Thema“, sagt Ploner. Darin sehen die Experten auch das Problem beim Hörbiger-Video: Es wirkte aufgesetzt. „Und die Wortwahl war problemati­sch“, so Hofer.

Wer „echt“ist, muss zudem gar nicht prominent sein: Das bisher effektivst­e Video sei jenes von „Frau Gertrude“, sagt Hofer. Die Holocaust-Überlebend­e warnte im Präsidents­chaftswahl­kampf vor Ausgrenzun­g und Hass. „Sie kannte vorher keiner, dann jeder.“

Übrigens: Stöger zeigte sich gestern verwundert über den Ex-Kollegen. „Der Reinhold ist Profi. Er weiß, wann er in eine Kamera spricht.“Was Mitterlehn­er sagte, sei eben unverhofft so gut gewesen, dass man es verwendet habe. Die Wanderung war so gesehen ein voller PR-Erfolg.

 ??  ?? Strahlende­r Stöger, ahnungslos­er Mitterlehn­er? Das Video mit dem Plädoyer des Ex-ÖVP-Chefs für Dialog und Respekt wurde von der SPÖ verbreitet
Strahlende­r Stöger, ahnungslos­er Mitterlehn­er? Das Video mit dem Plädoyer des Ex-ÖVP-Chefs für Dialog und Respekt wurde von der SPÖ verbreitet
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Tennislege­nde Muster warb wissentlic­h für Kurz: Er sprach dem Ex-Kanzler Mut für sein Comeback zu

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